Hanns-Josef Ortheil : Die Erfindung des Lebens (Roman)
In diesem berührenden Buch erzählt Ortheil seine ungewöhnliche Lebensgeschichte, die letztendlich ein Schicksal als Folge des 2. Weltkrieges darstellt. Geboren 1951, sind Ort-heils frühe Lebensjahre geprägt durch die innige Beziehung zu seiner Mutter. Als diese aufhört zu sprechen, verstummt auch der kleine Junge. Schon im Vorschulalter erlernt er das Klavierspiel, was für ihn eine Art Rückzugsraum wird. Doch es wartet die Welt drau-ßen. Als sein Start ins Schulleben misslingt, ergreift der Vater die Initiative und tut quasi instinktiv das Richtige. Angeregt durch lange Streifzüge in der Natur, eröffnet sich lang-sam für Ortheil der Weg ins Leben und ein Zugang zum Sprechen. Der Weg ist nicht oh-ne Rückschläge, insbesondere als er seinen Berufswunsch Pianist zu werden, nicht reali-sieren kann. Doch damit ergibt sich eine neue Perspektive, sein Weg zum Schriftsteller. Die Erzählung wechselt ab zwischen der Gegenwart in Rom und ausführlichen Rückbli-cken auf die Vergangenheit in der rheinischen Heimat. Von dem über 500 Seiten schwe-ren Buch, wollte ich keine Seite missen. Einerseits aufregend zu erfahren, wie Ortheil auf ganz andere Weise als die uns geläufige, Sprache erlernt, andererseits Hochachtung wie Ortheil, seine Mutter und sein Vater ihr Schicksal meistern.
Mercè Rodoreda : Der Garten über dem Meer
Lichtdurchflutet! Das ist der Eindruck, den dieses Buch bei mir hinterlassen hat. Ein Roman, wie ein impressionistisches Gemälde! Und doch, vor der heiteren Kulisse des Gartens über dem Meer, enthüllt die katalanische Schriftstellerin Mercè Rodoreda (1908-1983) tragische Lebensgeschichten. Wir befinden uns in den späten 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Ein junges Paar, Rosamaria und Francesc, hat das Herrenhaus mit dem paradiesischen Garten unweit von Barcelona erworben, um dort gemeinsam mit Freunden die Sommermonate zu verbringen. Über sechs Sommer hinweg verfolgt der Leser die jungen Leute aus der wohlwollenden Perspektive des Gärtners. Zunächst erscheint alles leicht, man badet, spielt, malt und feiert. Doch dann kommt ein neuer Nachbar ins Spiel, dessen Leben mit dem der jungen Frau verwoben ist, und es fallen mehr und mehr Schatten auf das lichte Bild. Der Garten über dem Meer ist ein Buch der leisen Töne, oft wird indirekt erzählt, man erfährt Bruchstücke, die erst nach und nach einen Zusammenhang ergeben.
In einfacher Erzählweise gelingt es Mercè Rodoreda ein Stimmungsbild voller Wehmut zu entwerfen, durchzogen von der klaren Meeresluft und den Farben und Düften der Blüten. Man spürt auch, was nicht gesagt wird
Erstaunlich übrigens, dass der Roman schon 1967 verfasst wurde, aber erst vor 7 Jahren in deutscher Sprache erschienen ist. Dank gebührt hierfür Roger Willemsen. Sein wunderbares Nachwort rundet das Leseerlebnis ab.