Vom Knistern früher Telefonanlagen

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„Klangkunst in Industriekultur“: Dokuzentrum T&N ist einer der fünf Ausstellungsorte im Rhein-Main-Gebiet – Nigerianischer Künstler hat sich vom telekommunikativen Erbe Urberachs zu einer Soundinstallation inspirieren lassen

Raumfüllende Installationen an auratischen Plätzen: Vom 29. August bis zum 3. September sind fünf multimediale Arbeiten von internationalen Künstlerinnen und Künstlern in fünf Kommunen des Rhein-Main-Gebietes zu sehen und zu hören. Neben Eltville, Hanau, Neu-Isenburg und Rüdesheim findet sich auch in Rödermark einer der Orte für das Projekt „Klangkunst in Industriekultur“. Unter dem Stichwort „Hello, can you hear me?“ verwandelt der nigerianische Künstler und Kurator Avan-Nomayo Ikponmwosa Osamuyime den „Treffpunkt Normalzeit“ (bis vor kurzem noch das Wohnzimmertheater der Nedelmanns) und das Dokuzentrum T&N davor in einen Kunst(Hör)-Raum, in dem sich dem telekommunikativen Erbe Urberachs nachspüren lässt. Das Projekt „Klangkunst in Industriekultur“ ist eine Kooperation von Kulturfonds Frankfurt RheinMain und KulturRegion FrankfurtRheinMain und findet anlässlich der „Tage der Industriekultur“ statt.

Auch diesmal bot die Fülle von imposanten und geschichtsträchtigen Orten, die als „Route der Industriekultur“ ein Schwerpunkt-Projekt der KulturRegion bilden, Anlass für den Kulturfonds, Künstlerinnen und Künstler zu ortsbezogenen Arbeiten mit Sound, Licht und Video einzuladen. Die Projekte setzen sich mit der Geschichte und der akustischen und visuellen Aura der Orte auseinander und lassen ihre industrielle Vergangenheit lebendig werden.

Inspiriert von Urberach und seiner Geschichte als große Produktionsstätte der Gesellschaft Telefonbau & Normalzeit (T&N), bringt Avan-Nomayo Ikponmwosa Osamuyime Vergangenheit und Gegenwart in einen klanglichen Dialog: vom Knistern früher Telefonanlagen bis zum digitalen Brummen moderner Kommunikation, vom Wählscheibentelefon bis zur drahtlosen Verbindung. Er macht hörbar, wie unser Leben durch technologische Kommunikation beeinflusst wird und wie diese unsere akustische Umwelt prägt. Dabei wird die Telefonzelle des Dokuzentrums in eine kleine Klanglandschaft verwandelt, während die 3D-Installation im Innern dazu einlädt, sich durch die Zeit zu bewegen und die komplexen Beziehungen zwischen Technologie, Kultur und Ökologie neu zu entdecken.

Die Arbeit selbst beruht auf Recherchen zur T&N und zum Thema Kommunikation. Die Sound-Installation ist gleichzeitig Ikponmwosa Osamuyimes Masterarbeit an der Hochschule Darmstadt-Dieburg, geleitet und betreut von Prof. Sabine Breitsameter.

Avan-Nomayo Ikponmwosa Osamuyime verfügt über jahrelange Erfahrung im Kuratieren von Kunst und hat sich auf zeitgenössische Arbeiten spezialisiert. Seine kuratorische Arbeit war schon in internationalen Ausstellungen zu sehen, zuletzt in der Mailänder Galerie Eduardo Secci. In letzter Zeit haben sich seine Interessen auf Soundscape Studies und Akustische Ökologie ausgeweitet sowie auf die Produktion von Klangkunst. Ikponmwosa Osamuyime ist der Ansicht, dass Geräuschkompositionen und Klanginstallationen ein wichtiges Ausdrucksmittel sind für das Verständnis der Gegenwart und ihrer medialen Kunstformen.

Das Dokuzentrum T&N dokumentiert die Industriegeschichte der beiden größten Firmen, die es im 20. Jahrhundert in Urberach – ab 1977 ein Stadtteil von Rödermark – gab. 1907 gegründet von jüdischen Unternehmern als Hutstofffabrik Bloch & Hirsch, wurde der Betrieb 1933 von den Nationalsozialisten enteignet und danach erst als Getreidelager und schließlich als Rüstungsfabrik genutzt. Ab 1946 wurden als Telefonbau & Normalzeit zunächst Telefonzentralen und dann Telefone in Urberach produziert, seit 1981 bis zur Schließung des Werks 1996 in Kooperation mit dem Robert-Bosch-Konzern. Die Vorbereitungen für das 2011 fertiggestellte, jederzeit zugängliche Freilichtmuseum begannen im Herbst 2009, nachdem die Gesamtdokumentation der wechselvollen Geschichte – dargelegt in drei Publikationen des verdienstvollen Lokalhistorikers Norbert Cobabus – abgeschlossen war und entsprechende Ausstellungsstücke aus der Zeit der T&N/Telenorma zur Verfügung standen.

Eröffnet wird die Ausstellung der besonderen Art am Dienstag, dem 29. August, ab 18 Uhr mit geladenen Gästen. Von Mittwoch (30.) bis Freitag (1.) von 16 bis 18 Uhr sowie am Wochenende (2./3.) von 12 bis 18 Uhr kann die Öffentlichkeit eintauchen in die Klangwelten.

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Der nigerianische Künstler und Kurator Avan-Nomayo Ikponmwosa Osamuyime.
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