Eine Stadt, die naturwissenschaftlich begabte Asse an der Schwelle von der Schule zum Studium und zur beruflichen Karriere vorweisen kann, sollte das auch gebührend erwähnen und würdigen. Das dachte sich Bürgermeister Jörg Rotter, schickte zwei Einladungen raus – und Svenja Bergling und Vladislav Praznik kamen gerne, um im Büro des Verwaltungschefs im Rathaus Ober-Roden über ihre Forschungsprojekte und Zukunftspläne zu sprechen.
Die beiden 19-Jährigen konnten ihre Abiturzeugnisse vor den Sommerferien in Empfang nehmen, er (aus Ober-Roden) am Adolf-Reichwein-Gymnasium in Heusenstamm, sie an der Nell-Breuning-Schule, nur ein kurzes, gerades Stück von ihrem Zuhause in Messenhausen entfernt. Rotter zeigte sich beeindruckt vom Drang zu innovativer Technik, den die beiden Youngster erkennen lassen, sympathisch offen und zugewandt in ihrem Auftreten, augenscheinlich mit reichlich Talent und Fleiß gesegnet.
Bergling untersuchte, ob das System „Gänge in Hügeln sorgen für passive Kühlung“, das in der Tierwelt anzutreffen ist, auch auf Wohngebäude von Menschen übertragbar ist. Angefertigt hat sie zwei Modelle von Ziegelsteinen mit innenliegenden Gangsystemen, die einem Termitenbau nachempfunden wurden. Sie erwärmte die Tonkörper durch Bestrahlung mit einer Lampe und erfasste die Temperaturen in den Kammern an verschiedenen Stellen. Ihre Beobachtung: Im Vergleich mit einem soliden, konventionellen Ziegel waren die vom „Wohnen“ der Insekten inspirierten Steine um bis zu 0,6 Grad Celsius schwächer erwärmt.
Fassadendämmung, Gebäudekühlung, Adaption an den Klimawandel: Begriffe wie diese ranken sich um die Studie, die nun nach Möglichkeit theoretisch vertieft werden sollte, um vielleicht eines Tages auch bautechnisch-praktisch zum Einsatz zu kommen. Svenja Bergling hat mit ihren Simulationen und Analysen am Wettbewerb „Jugend forscht“ teilgenommen. Sie avancierte im Fachgebiet der Geo- und Raumwissenschaften zur Landessiegerin in Hessen und qualifizierte sich für das Bundesfinale, das in diesem Jahr in Hamburg ausgerichtet wurde.
Den Sprung dorthin schaffte auch Vladislav Praznik – und mehr noch: Ihm gelang es sogar, auf der Deutschland-Ebene den 2. Preis zu ergattern. Sein Ansatz im Bereich „Technik“: Ein Roboter-Prototyp mit ausgefeilter Fernsteuerung wurde entwickelt. Das Gerät erkennt mit Hilfe eines Sensormoduls, wie sich der Arm oder die Hand eines Menschen bewegt. Dieses Muster von Auf und Ab nach links und rechts wird nachgeahmt. Das erlaubt in einer „schwierigen Umgebung“ à la Virenlabor, dass die Maschine zielgenau agiert und dem Menschen direkte Kontakte abnimmt und erspart.
Damit das zuverlässig und in Echtzeit geschehen kann, programmierte Praznik eine KI-basierte Software zur Umwandlung der Bewegungsdaten. Darüber hinaus stattete er die Roboterhand mit Drucksensoren aus. Das verblüffende Resultat: Mit deren Hilfe kann der Mensch aus der Ferne fühlen, was der Roboter gerade berührt.
Rotter ließ sich von den Jungforschern gedanklich mitnehmen ins Labor der Wissenschaft – und er sparte nicht mit Lob. Sein Fazit: In einer Zeit, in der oft und zu Recht mehr MINT-Nachwuchs auf der akademischen Schiene angemahnt werde, seien Bergling und Praznik zwei junge, beispielgebende Menschen. Ihr Wissensdurst sei groß und zeige, wie spannend und bereichernd die Beschäftigung mit naturwissenschaftlichen Phänomenen sein könne, betonte der Bürgermeister, ehe er Urkunden und Buchgutscheine als Zeichen der Anerkennung seitens der Stadt überreichte.
Dass „Jugend forscht“ den weiteren Lebensweg für die Hochqualifizierten ein Stück weit prägen und vorgeben wird, ist bereits klar zu erkennen. Beide werden nach dem Sommer ein Studium an der Technischen Universität Darmstadt beginnen. Praznik fühlt sich zur Elektrotechnik hingezogen. Bergling hat Biochemie als künftigen Tummelplatz für Experiment und Erkenntnisgewinn ausgedeutet.