Kaum hatte Bürgermeister Roland Kern seine Ansprache beendet, da erklommen die Mädchen und Buben aus den Kitas Potsdamer und Zwickauer Straße und die Waldkobolde auch schon den frisch modellierten großen Hügel, der das weitläufige Gelände jetzt attraktiv gliedert, sausten mit Lust die Hang- und die Wellenrutsche hinunter, turnten auf den Netzen und Seilen der neu installierten Kletteranlage und waren von den Erzieherinnen und Erziehern kaum mehr einzufangen. „Qualitätskontrolle durch die Experten bestanden“, freute sich Maria Werner-Niemetz vom Planungsbüro „Stadt & Natur“. Die Landschaftsarchitektin hat die Pläne gezeichnet für den Spielplatz am verlängerten Maiglöckchenpfad, dessen zweiter Bauabschnitt am Montag dieser Woche eingeweiht wurde. Das Vorzeigeprojekt ist mit der Ergänzung um den Rutschenhügel und den Klettergarten nun abgeschlossen.
Mit dem Hinweis auf den ungewöhnlichen Anblick grünen Grases hatte Bürgermeister Kern die Kinder und die Kita-Abordnungen, die Planer, Vertreter der Baufirma und der Verwaltung begrüßt. Weil das erst anwachsen und dazu wegen der Trockenheit der letzten Wochen aufwändig gewässert werden musste, hatte sich die Einweihung verzögert – eigentlich sollte das Gelände schon vor den Herbstferien freigegeben werden. Eine kleine Zeitverzögerung vor dem Hintergrund der vielen Jahre zwischen den ersten Überlegungen und der endgültigen Fertigstellung. „Das fing an, als ihr noch gar nicht auf der Welt wart“, erklärte der Bürgermeister den Kindern. Im Jahr 2006 machte sich die Verwaltung erstmals Gedanken, wo man Ersatz für den Spielplatz in der Erikastraße schaffen könnte. Der Besitzer des Geländes, die evangelische Kirchengemeinde, hatte damals mit Kern über ihre Absicht gesprochen, das Areal an die Behindertenhilfe zu verkaufen, die dort eine Wohnanlage errichten wollte. Eile bestand nicht, denn auch diese Pläne mussten erst reifen. 2010 war dann die Entscheidung für den Maiglöckchenpfad gefallen und es ging an die Umsetzung, lange bevor an der Erikastraße die Bagger rollten.
Der Spielplatz ist ein besonderer – nicht nur wegen seiner naturnahen Gestaltung am Waldrand, die in Rödermark einzigartig ist. Seine Ausstattung – der erste Bauabschnitt umfasste bereits ein Baumstamm-Mikado, einen kleinen Rutschenhügel mit Höhle und Tipis, zwei durch einen Tunnel verbundene Sandkästen, einen U-3-Bereich mit Holzplattform und Mini-Vogelnestschaukel, einen Bouleplatz für die ältere Generation und Spielwände zum Wald hin – findet man in der Stadt kein zweites Mal. Mit insgesamt rund 3.000 Quadratmetern ist er auch ziemlich groß. Vor allem aber ist die Planungs- und Baugeschichte ein Novum. Denn entstanden ist das Mehr-Generationen-Spielgelände als Beteiligungsprojekt. Kinder und Jugendliche wurden im Sommer 2010 eingeladen, ihre Ideen einzubringen und sich beim Bau zu beteiligen. Auch wurden Eltern und Nachbarn einbezogen, um die Akzeptanz des Spielplatzes bei den Anwohnern zu erhöhen. Der Seniorenbeirat sagte ebenfalls seine Unterstützung zu.
Vorstellungen, wie ein idealer Spielplatz aussehen könnte, entwickelten Kinder und Jugendliche, Eltern und Anwohner in einer Ideenwerkstatt im September 2010. Es schloss sich eine Planungswerkstatt an, in der Modelle entstanden. Aus den Vorgaben der künftigen Klientel entwickelte das Planungsbüro Stadt & Natur einen Planentwurf, der im Januar 2011 im Magistrat und kurz danach in der Breidert-Schule vorgestellt wurde. Zur Tat schritten dann im März 2011 Achtklässler der Nell-Breuning-Schule, die während ihres Sozialpraktikums ein Baumhaus als Jugendtreff auf dem Gelände errichteten. Aus finanziellen Gründen beschloss der Magistrat im April 2011, zunächst nur Teil 1 der Pläne zu realisieren. Ein Jahr später – mittlerweile waren die Spielgeräte und die nicht in Form von Gemeinschaftseinsätzen zu leistenden Arbeiten ausgeschrieben worden – waren es wieder Schülerinnen und Schüler, die mit dem Bau von Bänken und der Errichtung der Boulebahn für sichtbare Fortschritte am Maiglöckchenpfad sorgten. Unterstützt wurden sie dabei von der Initiative „Wir sind Breidert“ und dem städtischen Betriebshof.
In den Sommerferien 2012 nahm eine Baufirma die notwendigen Erdarbeiten und Installationen für das Baumstamm-Mikado, den Rutschenhügel, die Sandflächen und den Tunnel vor. Es schloss sich im September eine Mitmachaktion an: Rund 40 große und kleine Helfer bauten Bretter und Baumstämme zum Balancieren und Springen ein, befestigten Sandkästen, es wurde gesägt, geschliffen, geschippt und vieles mehr. Das es danach doch noch ein Jahr dauerte, bis der Abschluss von Teil eins gefeiert werden konnte, war einem langen Winter, einem sintflutartigen Regen Ende Mai und dem zu tief eingebauten Tunnel geschuldet.
Erheblich zügiger entwickelte sich der zweite Bauabschnitt: Magistratsbeschluss im Mai 2017, Ausschreibung der Arbeiten im Dezember, Auftragsvergabe im März dieses Jahres, Baubeginn im Mai.
Gekostet hat der Vorzeige-Spielplatz insgesamt rund 210.000 Euro. Im ersten Bauabschnitt waren es gut 100.000 Euro: 66.000 für die Bauarbeiten, 28.000 Euro für Planung und Honorare, 5.000 Euro für das Jugend-Baumhaus und 4.000 Euro für Nebenkosten, Vermessung, Gutachten und KBR-Arbeiten. Die bei der Bürgeraktion und bei den beiden Sozial-Praktikums-Aktionen erwirtschafteten Leistungen ließen sich mit rund 11.000 Euro beziffern. Der zweite Bauabschnitt schlägt mit rund 110.000 Euro zu Buche.
Zusätzliche Informationen:
Was entstanden ist, erläuterte Maria Werner-Niemetz von „Stadt & Natur“. „Im Vordergrund der Planung stehen nicht die Spielgeräte sondern die Gliederung der Fläche in kindgerecht dimensionierte Räume, eine abwechslungsreiche Gestaltung mit bewegter Topographie und die Verwendung natürlicher Materialien auf vielfältige Art und Weise.
Der besondere Standort für den Abenteuerspielplatz ‚Maiglöckchenpfad’ am Siedlungsrand bietet viel Potential, welches es bei der Planung zu nutzen galt. Die weitläufigen Wiesenflächen und der Waldrand bieten Vertrautes und Abenteuer und sorgen so für vielfältigste Aktivitätsanreize. Durch die Lage außerhalb von Wohnbebauung wird den Kindern die Möglichkeit gegeben, selbstbestimmt auf die Umgebung zu reagieren und sie zu verändern. Der Wald bietet Spielmaterial in Hülle und Fülle. Die Abgeschiedenheit sorgt dafür, dass im Spiel geformtes nicht sofort von Anwohnern als Störfaktor empfunden wird und entfernt werden muss.
Diese Besonderheit gilt es zu erhalten und zu stärken. Um den Reiz zu erhöhen, den Spielraum Wald zu erkunden, haben wir den Waldrand gegenüber dem ankommenden Maiglöckchenpfad mit einer Bretterwand versehen. Ausgesparte Tür- und Fensteröffnungen laden ein, das Unterholz zu erkunden und Behausungen aus Bretterwänden zu entdecken, zu erkunden und mit Naturmaterialien weiter zu gestalten. Ein zweiter Faktor, der für die Planung grundlegend war, ist, einen Spielplatz für die verschiedenen Altersgruppen in der Nachbarschaft zu schaffen.
Dies gelingt durch die Gliederung der Spielfläche in zwei Aktionsräume. Älteren Kindern oder Jugendlichen reicht eine Entfernung in Hörweite von Begleitpersonen oder sie besuchen den Spielplatz ohne Aufsicht. Diese Spielplatznutzer benötigen Angebote, an denen sie sich erproben und ihre körperlichen Fähigkeiten trainieren können. Möglichkeiten hierfür haben wir im hinteren Bereich, auf der von der Bebauungsgrenze abgewandten Seite der Spielplatzfläche angeordnet. Es handelt sich um eine Kletteranlage aus Netzen und Seilen (Kletterhöhe bis 3 Meter, mit Schaukelseil), Geländemodellierung mit verschiedenen Kletteraufgängen, Hangrutsche (Podesthöhe 3 Meter), Baumstammmikado zum Balancieren. Zudem sind noch Rückzugsmöglichkeiten zum Treffen und Rollenspiel wichtig. Diese haben wir als von Bretterwänden umschlossene Räume im Unterholz in Form von Pfahlhäusern, Höhlen und Tipis in die Planung aufgenommen.
Ein weiteres Element zum Aufenthalt wurde auf Anregung eines örtlichen Vertreters des Naturschutzbundes in die Planung aufgenommen. Es handelt sich um ein Pfahlhaus, welches durch größere Kindergruppen (z. B. die Kinder des Waldkindergartens) als Schutzhütte genutzt werden kann.
Für die jüngeren Nutzer ist es wichtig, einen überschaubaren Raum zu schaffen, der ihnen vorbehalten ist und selbstbestimmtes Spielen ermöglicht. Hierzu haben wir mit Pflanzflächen, Baumstämmen und Palisaden einen Teilbereich, an den Einfriedungen der angrenzenden Gärten gelegen, eingefasst. Wichtig sind bei den ganz jungen Kindern auch der Sichtkontakt zu Begleitpersonen und die Möglichkeit des Eingreifens durch diese. Daher ist der Bereich mit vielen Sitzgelegenheiten ausgestattet.
Eine Sandspielfläche befindet sich sowohl im Bereich für die jungen Nutzer, als auch im Bereich für die älteren Kinder. Die beiden Sandkästen sind durch einen Hügel getrennt, aber durch einen Tunnel miteinander verbunden. Eingefasst sind die Sandflächen durch die Stützmauern des Hügels und durch natürliche Elemente aus Stämmen oder Gletscherfindlingen.
Auch die Senioren haben ihre Angebote. Auf Wunsch des Seniorenbeirates wurde eine Boulebahn in die Planung mitaufgenommen. Diese befindet sich nahe dem Eingang und ist gestalterisch in den Sitzplatz der Spielfläche eingegliedert. Die Boulebahn wird durch eine Bank mit hohem Sitzkomfort ergänzt und soll durch eine Baumpflanzung zukünftig beschattet werden. Als zweites Angebot wurde für die älteren Nutzer der Sitzplatz mit einem Schachtisch ausgestattet.
Ausschlaggebend dafür, den Bereich für die jüngeren Kinder und die Angebote für die Senioren an der Bebauungsgrenze anzuordnen, ist, dass jüngere Kinder mit Begleitpersonen den Spielplatz besuchen und Erwachsene weniger geräuschbehaftet spielen. Es ist ein gewisses Maß an sozialer Kontrolle gegeben, die die Anwohner soweit wie möglich vor Belästigungen schützen kann. Somit bilden der Aktionsraum für die jungen Kinder und für die Senioren sowie die geplanten Pflanzungen entlang der angrenzenden Gärten einen Puffer zwischen Anwohnern und bewegungsintensivem, geräuschbehaftetem Spiel der älteren Kinder und Jugendlichen.“