Vor dem Mandelbäumchen, das seit rund einem Jahrzehnt in der Grünanlage an der Rilkestraße munter seine Blüten treibt, wird ein Halbkreis gebildet. Die Anwesenden lassen sich Kaffee und Streuselkuchen schmecken, kommen miteinander ins Gespräch, machen sich Gedanken über das Gestern und Heute. So ist es guter Brauch geworden, alljährlich am 28. Februar, dem Geburtstag von Jaky Hecht.
Vor 98 Jahren erblickte er in Ober-Roden das Licht der Welt. Hecht und seine Familie gerieten ins Terror-Netzwerk der Nationalsozialisten. Daran erinnert die Zusammenkunft unweit der Trinkbornschule, zu der die „Initiative Stolpersteine“ auch 2025 eingeladen hatte. Mit von der Partie waren die Erste Stadträtin Andrea Schülner und Ehrenbürgermeister Roland Kern sowie die ehemalige Stadtverordnetenvorsteherin Brigitte Beldermann, die ein kurzes Märchen der Brüder Grimm („Die Lebenszeit“) zum Treffen beisteuerte.
Thomas Mörsdorf, der Leiter des städtischen Fachbereichs für Kultur, Heimat und Europa, zitierte Gedanken von Ex-Bundespräsident Joachim Gauck. Dessen flammendes Plädoyer für den Erhalt demokratischer Werte, das nicht zuletzt die verschiedenen Glaubensgemeinschaften in Deutschland zum solidarischen Zusammenstehen im Kampf gegen Hass und Radikalisierung aufruft, wurde vor einigen Jahren zu Papier gebracht. Doch alle Zuhörer waren sich einig: Der Text sei aktueller und drängender denn je. Ein würdiger Leitfaden für just jene Erinnerungskultur, die in Rödermark wiederkehrend gepflegt werde, sei es am Mandelbäumchen, am Gedenkort in Urberach oder bei den Vortrags- und Dialog-Veranstaltungen am Holocaust-Gedenktag in der Nell-Breuning-Schule.
Jaky Hecht wurde am 28. Februar 1927 in Ober-Roden geboren. Dem Sohn der jüdischen Schuhhändlerin Berta Hecht, die mit ihrem Geschäft an der Frankfurter Straße ansässig war, gelang 1939 mit Hilfe eines Kinderrettungswerks die Flucht nach Palästina. Er überlebte die Zeit des Rassenwahns fernab der Heimat. Andere Familienmitglieder fielen dem NS-Terror zum Opfer. Ihre Ermordung zerstörte vertraute Bande und soziale Netzwerke im damals dörflich geprägten Leben vor Ort.
Hecht, nach dem in Rödermark eine Straße benannt wurde (dort hat die Kita „An der Rodau“ ihr Domizil), ist nach dem Zweiten Weltkrieg mehrfach zu Besuchen nach Ober-Roden zurückgekehrt, um Bekannte wiederzusehen und Freundschaften zu pflegen. Er starb 2001 in Tel Aviv.