Es flossen wieder Tränen. Bei denen, die schon lange als Gast und Gastgeber miteinander verbandelt sind. Aber auch Menschen, die sich vorher noch nie gesehen hatten, lagen sich in den Armen und vergossen Tränen des Abschieds. Emotionen pur nach drei Tagen des Beisammenseins in Rödermarks ungarischer Schwesterstadt Bodajk.
„Die herzliche Art des Umgangs miteinander, das gemeinsame Lachen, die Gespräche in den Gastfamilien über alle Sprachgrenzen hinweg, die Fähigkeit, unbeschwert miteinander bis tief in die Nacht feiern zu können: das trägt diese Partnerschaft“, sagte Bürgermeister Jörg Rotter im Rückblick auf fast schon magische Tage. „Wer noch nicht dabei war, der weiß nicht, wie wertvoll sie ist.“ Froh zeigte sich Rotter darüber, dass sich diesmal auch einige Jüngere der Reisegruppe angeschlossen hatten. „Wir müssen die jüngere Generation noch stärker einbinden, um die Partnerschaft zukunftsfähig zu machen.“
Rund 50 Bürgerinnen und Bürger waren über das letzte Juni-Wochenende mitgereist, um auch in Bodajk das 30-jährige Bestehen der Partnerstadt zu feiern. Im vergangenen Jahr waren die ungarischen Freunde über die Urberacher Kerbtage zu Gast in Rödermark; die 1992 auf den Weg gebrachte Beziehung war mit der Unterzeichnung einer Urkunde noch einmal besiegelt worden. Diesmal galt es, das Jubiläum der Rückverschwisterung 1993 zu würdigen.
Hoch offiziell ging es deshalb am Sonntagmorgen in der wunderschön restaurierten Bodajker Wallfahrtskirche zu, einem barocken Kleinod, das nun auch wieder optisch die Bedeutung Bodajks als ältester Wallfahrtsort Ungarns unterstreicht. Nach einem Festgottesdienst setzten die Bürgermeister Rotter und sein Amtskollege Lorànt Wurczinger erneut ihre Unterschriften unter eine Jubiläumsurkunde, um die Städtepartnerschaft zu bekräftigen.
In einer hochemotionalen Rede hatte Wurczinger zuvor das Werden, Wachsen und Gedeihen dieser ungewöhnlichen Beziehung Revue passieren lassen und ihre Verankerung in Europa hervorgehoben. „Rödermark ist ein Teil des Lebens in unsrer Stadt geworden“, sagte der Verwaltungschef. Er sprach von einem Weg, der teilweise auch steinig gewesen sei, von anfänglichen Bedenken auf beiden Seiten. „Man muss nicht immer einer Meinung sein, aber man muss sich gegenseitig akzeptieren.“ Es spiele heute keine Rolle mehr, welche Farben die Flaggen der Partnerstädte trügen. Denn: „Europa hat nur eine Flagge!“
Eine solch inniges Verhältnis zweier Kommunen komme „nicht einfach so“, meinte Bürgermeister Rotter. „Es braucht immer wieder Anstrengungen und Menschen, die die Partnerschaft leben und befördern.“ Die Wurzeln hätten die damaligen Bürgermeister Kati Rencz und Walter Faust – seiner war zu Beginn der Feierstunde mit einer Schweigeminute gedacht worden – gelegt. Aus dem Pflänzlein sei ein Baum geworden, und Wurczinger sei derjenige, der diesen Baum so beschnitten habe, dass er gesund wachsen könne. Dennoch lebe diese Partnerschaft nicht von den Bürgermeistern, sondern von den Familien, die sich begegnen. Dass sie voller Leben sei, habe man bei der Ankunft wieder gespürt. „Man fühlt sich sofort wie zuhause. Und was kann es Schöneres geben als zuhause anzukommen?“
Dieses Zuhause hat sich in den vergangenen Jahren prächtig entwickelt. Nach der anstrengenden Nachtfahrt begrüßte Bürgermeister Wurczinger seine Gäste im von Grund auf sanierten Kulturzentrum, Grünflächen sind neu angelegt worden, nicht nur die Kirche selbst strahlt in neuem Glanz, sondern auch die Außenanlagen und Nebengebäude. Ein kleiner Laden für Devotionalien und andere Mitbringsel ist dort neu errichtet worden. Und aus einem verfallenden Schulgebäude in unmittelbarer Nähe wurde ein modernes Pilgerzentrum mit Übernachtungsmöglichkeiten und einem Hof, in dem sich prächtig feiern lässt, was am Abschlussabend deutlich wurde. Nach einem typisch ungarischen Essen gab es Folkjazz von der großartigen Band „UHZ“ um Bassist Ferenc Kozma, den Bodajker Lehrer und musikalischen Tausendsassa; Standards steuerte ein Quartett des Jazzclubs Rödermark zu einem gelungenen Abend bei. Gäste und Gastgeber ließen es sich gut gehen und bewiesen Ausdauer beim Feiern der Freundschaft.
Für den symbolischen Höhepunkt der Reise am Freitag hatte die Rödermärker Delegation ungewöhnliche Mitbringsel im Gepäck: zweimal zwanzig Liter Rodauwasser, von Bürgermeister Rotter eigenhändig mit einem Bembel geschöpft. Damit wurde das Jubiläumsgeschenk der Rödermärker gewässert: ein keiner Apfelbaum, den Rotter und Wurczinger im Garten des Kindergartens pflanzten. Einen zweiten Apfelbaum, den Wurczinger als Erinnerung an das Jubiläum gestiftet hatte, setzten die beiden am Rande des Weihers in der Bodajker Ortsmitte in die Erde. Dort konnte man sich davon überzeugen, dass Rodauwasser dem Wachstum äußerst zuträglich ist: Als Bodajk im Jahre 2018 das zehnjährige Stadtjubiläum feierte, pflanzten die Bürgermeister der drei miteinander verbundenen Kommunen Bodajk, Plesna und Rödermark – Lòrànt Wurczinger, Jòzef Knapek und Roland Kern –drei Eichen. Diejenige mit der Rödermark-Plakette überragt die anderen bei weitem.
Das Programm des Besuchs verzichtete auf Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung und beschränkte sich diesmal auf Veranstaltungen mit viel Kultur und Erkundungen in Bodajk selbst. Das kam bei allen Beteiligten bestens an. Gleich am Freitagabend gab es im Kulturhaus erstklassigen Jazz von Bands aus Budapest und Rödermark sowie ungarische Tänze und Melodien, die Ferencz Kosma mit seinen Gruppen vorbereitet hatte. Bei einer Wanderung durfte die wildromantische Gaja-Schlucht entdeckt werden. Am Sonntag brachte Pfarrer Tamás Mórocz seinen Gästen die Kirche samt Nebenräumen, Krypta und diversen Ausstellungsgegenständen nahe. Einen zwiespältigen Eindruck hinterließ der Besuch des vom ungarischen Staat für viele Millionen Euro renovierten Schlosses: es beherbergt ein Jagdmuseum mit ausgestopften Tieren aus aller Welt; an den Wänden kann man unzählige Geweihe bestaunen, Erfolge einer geheimnisvollen Gesellschaft von Jägern. Tatsächlich scheint das Schloss eher Zwecken der ungarischen Regierung zu dienen.
Zum Abschied versammelten sich alle am Montagmorgen noch einmal in der Kirche. Lorànt Wurczinger sprach vom „Riesenglück“ dieser Partnerschaft, Jörg Rotter lud die Bodajker für 2024 ein, Pfarrer Mórocz erteilte den Reisesegen. Man lief zum Bus. Und dann flossen wieder Tränen…
Einen sehenswerten Filmbericht über die drei Tage in Bodajk kann man sich auf Bodajk-TV anschauen (Link: https://www.facebook.com/bodajktv/videos/r%C3%B6dermarki-vend%C3%A9gek-bodajkon/3474709179444071). Gesprochen wird zwar Ungarisch, aber die Bilder sprechen für sich. Róbby Lakatos, der rasende Reporter von Bodajk-TV, hat ganze Arbeit geleistet. Ausgestrahlt wird der 15 Minuten lange Film auch auf OF-TV (www.of-tv.de).