Kleiner Mann im Rausch der Scheine

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Viel Applaus in der Kulturhalle für „Funny Money!“, die gelungene Sprechtheater-Premiere der MusicalFactory

Er ist ein Buchhalter der Kategorie „brav und bieder“, doch ausgerechnet an seinem Geburtstag schlägt für den kleinen Mann namens Heinrich Liebig die vermeintlich große Stunde. Er verwechselt in der U-Bahn seine Aktentasche mit der eines Fremden. Plötzlich ist er um 1,5 Millionen D-Mark reicher und träumt im Deutschland der 1990er Jahre von fernen Zielen. Ein Leben ohne Arbeit und Sorgen in Barcelona oder Übersee: Das ist sein Plan, den er im heimischen Wohnzimmer der erstaunten Ehefrau verkündet („Wir kaufen Bali!“). Die trinkt sich in Windeseile einen Vollrausch an, ehe die Dinge in „Funny Money!“, einer Komödie aus der Feder des britischen Theater-Starautors Ray Cooney, vollends aus dem Ruder laufen.

So geschehen in der Kulturhalle Rödermark, wo das Stück in einer deutschen Adaption von Maria Harpner und Anatol Preissler vom Ensemble der MusicalFactory an zwei Abenden präsentiert wurde. Knapp 500 Besucher kamen zu den Vorstellungen, amüsierten sich prächtig, lachten häufig heftig, applaudierten kräftig… Und gelangten zu der Erkenntnis: Die guten alten Bekannten der Formation aus Groß-Umstadt, die seit 26 Jahren ein Garant für stimmungsvolle Musical-Inszenierungen ist, haben auch ihre Sprechtheater-Premiere mit Bravour gemeistert.

Musikalisch flankiert von einer kleinen Trio-Besetzung, die am Fuß der Bühne agiert, und angeleitet von Regisseur Axel Staudinger, der die acht Akteure nach intensiver Probenarbeit mit viel Spielfreude ins Rampenlicht schickt: So kommt das Theater auf den Brettern in Rödermarks „gut Stubb“ rasch in Fahrt. Denn trotz einer über zwei Stunden ziemlich langgestreckten Geschichte, die den ambitionierten Hobby-Schauspielern viel Konzentration rund um Text, Handlung und blitzschnell wechselnde Situationskomik abverlangt, bietet „Funny Money!“ wenig Raum für kollektives Durchschnaufen. Im Gegenteil: Hochtourig und turbulent, manchmal mit schrillen und absurden Momenten, gespickt mit immer neuen Irrungen und Wirrungen… So treibt der Plot energisch voran, gleichsam von einem Gefühlschaos zum nächsten.

Natürlich ist der erhoffte Weg zum Geldverjubeln kein kerzengerader. Selbstverständlich tauchen allerlei Nebenbuhler auf: Freunde der Liebigs, zwei Kommissare, ein Taxifahrer. Alle sind irgendwie scharf auf die Scheine im Koffer, zeigen sich offen für Betrug und Bestechung, erfinden immer neue Lügengeschichten unter dramatischen Vorzeichen. Denn schon bald treibt eine Leiche im Main – und bis zum Finale, bei dem reichlich Zaster durch die Luft gewirbelt wird, sind noch viele Hürden zu überwinden.

Es macht Spaß, den Darstellern bei dieser Achterbahnfahrt zuzuschauen. Alle haben sichtlich Vergnügen im permanenten Spagat zwischen stiller Hoffnung, leisem Verlangen und lauter Entladung. Herrlich, wenn Thorsten Gallus als Protagonist in der Rolle des Heinrich Liebig in seinem Beutefieber träumt und schäumt, mitunter wie von Sinnen, zu jeder Schandtat bereit. Wunderbar auch, wie ihn seine Mitstreiter dabei umschwirren und umflirren, bis hin zur bitteren Quintessenz seiner alkoholgeschwängerten Frau: „Heinrich, als kleiner Versager warst du mir lieber!“

Fazit: Mit „Funny Money!“ hat die MusicalFactory erfolgreich Neuland betreten. Für die Programmplaner der Kulturhalle entpuppte sich das Stück kurz vor dem Ende der Spielzeit 2023/2024 als guter Fang. Von wegen „leichte Unterhaltung“… Bei genauer Betrachtung ist mehr Gewicht im Spiel. Denn wie heißt es doch im Programmheft? In „bürgerliche Katastrophen“ entführe Ray Cooney das Publikum mit seinem Schlaglicht auf die Macht der Moneten. Dazu passend: Der Stoßseufzer von Möchtegern-Lebemann Liebig, als er seine Felle davonschwimmen sieht. „Barcelona, Bali, Partnertausch – ich war so nah dran.“

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