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„Deutsch im Alltag“ für Geflüchtete aus der Ukraine: Olena Bauernfeind lädt Woche für Woche ins SchillerHaus ein

„Keine Ursache!“ „Kein Problem!“ „Tut mir leid!“ „Das ist super!“ „Ich rufe dich später an!“ Olena Bauernfeind hat kleine Karteikärtchen verteilt. Auf dem großen Tisch liegen auch Sprachblätter mit Wortfamilien – „dringend“, „sehr“, „vielleicht“, Ja/Nein, sich entschuldigen...

Auf einem Flipchart hat sie das Thema des Tages notiert: Redewendungen, kurze Phrasen, einkaufen, nach dem Weg fragen, einen Termin vereinbaren, einfache Gespräche führen können – darum geht es, wenn Olena Bauernfeind jeden Montag um die Mittagszeit im SchillerHaus ihre Schülerinnen und Schüler um sich versammelt. Sie übersetzt, erläutert, gibt Beispiele und beantwortet Fragen. Manchmal baut sie auch ein Sprachspiel ein in ihren Unterricht und schafft so eine angenehme Lernatmosphäre auf Augenhöhe. Alle sind mit Feuereifer bei der Sache. Die schlanke, überaus freundliche Frau, die vor 18 Jahren aus der Ukraine nach Deutschland kam, ist ihren Landsleuten eine große Hilfe. „Deutsch im Alltag“ – so hat sie ihren Sprachtreff genannt, den sie ehrenamtlich während ihrer Mittagspause anbietet.

Wie es dazu kam? Das erzählt Isabel Martiner, die Integrationsbeauftragte der Stadt, die ihre „Mitarbeiterin“ in den höchsten Tönen lobt – „eine bessere Unterstützung kann man sich nicht vorstellen“. Sie habe Bauernfeind im Juni 2022 kennengelernt, beim ersten Infoabend für Bürgerinnen und Bürger aus Rödermark, die ukrainische Geflüchtete bei sich aufgenommen oder ihnen Wohnraum zur Verfügung gestellt haben. Die Eltern der selbstständigen Unternehmensberaterin gehörten benfalls zu den Menschen, die wegen Putins mörderischem Angriffskrieg ihre Heimat verlassen mussten. Bauernfeind engagierte sich von Anfang an für die ukrainische Gemeinschaft, unterstützte die Frauen, wo sie konnte, rief eine WhatsApp-Gruppe ins Leben, sorgte dafür, dass die Menschen ankommen konnten.

Im Gespräch mit Martiner wurde zunächst die Idee geboren, im SchillerHaus Infonachmittage anzubieten. Bei den unregelmäßigen Treffs ging es um das, was das SchillerHaus zu bieten hat, um das Vereinsleben in Rödermark („Wo kann mein Kind Fußball spielen?“), um die Stadtverwaltung, um kulturelle Angebote. Der Ausländerbeirat stellte sich vor, es wurden Fragen zu Mietangelegenheiten beantwortet… Doch das genügte bald nicht mehr. Auch im Austausch mit ihren Eltern merkte Olena Bauernfeind, dass die Menschen mehr wissen wollten, um sich besser integrieren zu können: Bräuche und Sitten, kulturelle Unterschiede – und vor allem: Sie wollten Deutsch lernen!

Gerade vor dem Hintergrund, dass das offizielle Kursangebot bei weitem nicht ausreichte und ausreicht, die Wartezeiten sich auf Monate belaufen. Deutsch vor allem mit Bick auf den Alltag, den es zu bewältigen gilt, mit Beispielen aus dem eigenen Leben. „Das bleibt viel besser im Kopf“, weiß Olena Bauernfeind aus eigener Erfahrung.

Natürlich erfüllte die Frau, die es als „Leidenschaft“ beschreibt, anderen zu helfen, diesen Wunsch. Während einer kreativen Vorbereitungsphase entwickelte sie Konzept und Lernmaterial selbst. Dabei half Olena Bauernfeind die Tatsache, dass sie in der Ukraine einst Deutsch-Lehrerin war. „Seitdem hatte ich aber nichts mehr mit Dolmetschen oder Übersetzen zu tun.“ Bauernfeind, die mit ihrem Mann seit sieben Jahren in Rödermark lebt, war in Deutschland noch einmal auf die Universität gegangen, hatte zunächst Sprachwissenschaften, danach noch Personalmanagement studiert, in einem großen Unternehmen gearbeitet und sich schließlich selbstständig gemacht.

Anfang März konnte es dann losgehen mit „Deutsch im Alltag“, dem Angebot, das sie selbst als „eine Art Sprach-Café" beschreibt. Seitdem hat Bauernfeind Woche für Woche bis zu 20 Schülerinnen – meist ist ihr Vater der einzige männliche Café-Besucher.

„Es macht mir großen Spaß. Meine Schülerinnen sind sehr wissbegierig, bitten sogar um ‚Hausaufgaben‘. Und es ist total befriedigend, Fortschritte erkennen zu können!“ Unterstützt wird sie von Quartiersmanager Stephan Reich, der immer die Augen nach zusätzlichem Lernmaterial offenhält. Neben dem Spracherwerb sei es aber auch wichtig, dass die Ukrainerinnen untereinander kommunizieren könnten. Im Parkhotel, wo der Kreis Geflüchtete untergebracht hat, sei das kein Problem. Wohl aber für diejenigen, die privat untergekommen sind – und denen gilt das Augenmerk Bauernfeinds.

Kein Wunder, dass die Frau mit dem besonderen Helfer-Gen aufgrund der Nachfrage einen zusätzlichen Kurs am Abend in Erwägung zieht. Wer Olena Bauernfeind kennengelernt hat, wäre nicht überrascht, wenn aus der Möglichkeitsform ein Faktum wird.

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