Der Physiker als Philosoph: Wege zum Wandel

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Der 28. Rödermärker Hochschultag hatte rund um das Stichwort „Klimawandel“ viel zu bieten: Fakten, Visionen, Zweifel und Gefühle

„Klimawandel: Wie ernst ist die Situation?“ Mit dieser plakativen Überschrift wurde auf die 28. Auflage des Rödermärker Hochschultages eingestimmt. Und das, was Professor Michael Düren als fachkundiger Referent des Abends in der gut besuchten Kulturhalle vor Oberstufenschülern der Nell-Breuning-Schule und einer beachtlichen Zahl interessierter Bürger zu sagen hatte, unterstrich die in der Fragestellung schon aufschimmernde Warnung und Dringlichkeit.

Ja, die Erderwärmung im Zuge von mittlerweile gut 150 Jahren, die durch forcierte Industrialisierung und die Turbo-Verfeuerung von Kohle, Öl und Gas geprägt gewesen seien, schreite rasant voran. „Es kann sein, dass unsere Zivilisation unter dem Druck dieser Entwicklung schrittweise zusammenbricht“, machte der renommierte Physiker von der Justus-Liebig-Universität Gießen deutlich. „Umsteuern“ sei das immer drängender werdende Gebot der Stunde.

Auch Bürgermeister Jörg Rotter, der die Reihe „Hochschultage“ als „tolles Format“ der Stadt und der NBS lobte und der Sparkasse Dieburg als treuem Sponsor für deren finanzielle Unterstützung dankte, hatte in seiner Begrüßungsansprache nicht mit eindringlichen Worten gespart. Eine „Mammutaufgabe“ habe die Menschheit in Anbetracht der Klimaproblematik zu bewältigen.

Schulleiterin Christine Döbert erinnerte an ein Symposium, das die NBS bereits 2008 dem Thema gewidmet habe. Das Motto damals: „Global Warming – Wie verhindern wir die Klimakatastrophe?“ Seit mittlerweile 30 Jahren werde mehr oder weniger intensiv gewarnt, appelliert und eine Art „Besserung“ gelobt. Doch weit genug gekommen, so Döberts Fazit, sei die Weltgemeinschaft trotz der drückenden Erkenntnislast nicht: „Es gibt immer wieder Ausreden und es zeigt sich, wie schwierig es ist, liebgewonnene Gewohnheiten aufzugeben.“

Apropos „aufgeben“: Nach einer kurzen musikalischen Einstimmung, die die Europa-Songgruppe der NBS unter der Leitung von Dr. Hanne Grünsteudel und Dr. Dietmar Herdt ins Programm einstreute, machte der Gast aus Mittelhessen sehr schnell deutlich, dass aus seiner akademischen Perspektive der Umstieg auf erneuerbare Energien als zwingende Notwendigkeit im Fokus stehe. Doch gleichwohl, so sein Nachsatz, sei es beim Bemühen um das Abflachen von Wärmekurven damit nicht getan. „Wir kommen meiner Meinung nach im globalen Maßstab nicht um das Energiesparen herum. Wir müssen den Konsum drosseln, bei der Ernährung einiges umstellen und künftig verstärkt Dinge reparieren, statt immer nur beständig Neuware zu produzieren.“

So klangen Dürens Kernbotschaften, untermauert mit zahlreichen Beispielen, die seine Visionen nachdrücklich vor Augen führten. Elektro-Mobilität mit neuen Akzenten („Schnellstraßenbahnen, aufgesetzt auf vorhandene Auto-Infrastruktur“), energetisch optimierte Häuser, Photovoltaik im großen Stil, in neu entstehende Seen (Stichwort: Ex-Abraumhalden) integrierte Pumpspeicherkraftwerke: All diese und weitere Stichworte kamen zur Sprache.

Kurzum: Ein großer Strauß getreu der Devise „Das müsste man tun“ wurde aufgefächert. Als schließlich die Fragerunde mit dem Publikum begann, war schnell klar, dass die Botschaft zwar verstanden wurde. Doch der Glaube an eine rasche Umsetzung – just darum kreisten viele Zweifel bei den Wortmeldungen. Tenor: Wie solle das funktionieren? Umsteuern und Teilverzicht in Volkswirtschaften, die auf ewiges Wachstum getrimmt seien? Schnell nötige Erfolge bei einem derart extremen Zeitdruck? Pure Illusion?

„Ich hätte gerne einen winzigen Funken Hoffnung“, bekannte eine Fragestellerin. Düren versuchte zu ermutigen, indem er auf die persönliche Schiene schwenkte: „Wenn Sie sich gut fühlen wollen, dann tun Sie bitte aktiv etwas für den Wandel.“ Das, so der Naturwissenschaftler, sei ein ganz pragmatischer und wohl auch psychologisch sinnvoller Schritt.

Doch schlussendlich hielt sich Düren an just das, was er gleich zum Auftakt des Hochschultages betont hatte: „Ich werde versuchen, hier Klartext zu reden.“ Sein Fazit nach 90 interessanten Minuten, angereichert mit vielen Fakten, Schlussfolgerungen und einer guten Prise Dialog: „Ich bin froh, dass ich kein Politiker bin, der die Dinge bündeln und auf den Weg bringen muss.“

Dass die Menschheit über viele Generationen hinweg die gravierenden Folgen der Erderwärmung drastisch zu spüren bekomme: Ja, das sei leider ein sehr wahrscheinliches Szenario. „Ich glaube, wir sind dazu verdammt, weil wir so verdammt unvernünftig sind“, wählte Düren als Physiker geradezu philosophisch anmutende Worte, um seine Haltung zu unterstreichen.

 

Foto 1: Professor Michael Düren war beim 28. Rödermärker Hochschultag zu Gast in der Kulturhalle.

Foto 2, von rechts: Bürgermeister Jörg Rotter, Professor Michael Düren, Erste Stadträtin Andrea Schülner, Schulleiterin Christine Döbert, ihr Stellvertreter Lutz Reeh und drei weitere Lehrkräfte der NBS. Von links: Barbara Kühnl, Stefanie Heinsohn (federführend zuständig für die Organisation des Hochschultages) und Tanja Bergling.

Foto 3: Die Europa-Songgruppe der NBS stimmte musikalisch auf die Veranstaltung ein.

 

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