Unter Beteiligung einer starken Rödermärker Delegation wurde am Volkstrauertag in Rödermarks Nachbarstadt Rodgau der Opfer des Gefangenenlagers Rollwald gedacht. Neben Pfarrerin Sabine Beyer aus Jügesheim war Bürgermeister Jörg Rotter der Hauptredner der Gedenkfeier, zu der Dr. Rudolf Ostermann, der Vorsitzende des Vereins „Munavero“, zahlreiche Gäste begrüßte.
„Der Zweite Weltkrieg und das Naziregime – das ist mittlerweile mehr als ein dreiviertel Jahrhundert her. Und doch wirkt es nach bis heute, was damals geschehen ist“, sagte Rödermarks Bürgermeister. „Zwar leben nur noch wenige Zeitzeugen. Doch auch diejenigen, die diese Zeit nur aus Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern, aus Dokumenten oder dem Schulunterricht kennen, sind getroffen von dem, was sie gehört und gelesen haben. Leid und Tod, Grausamkeit und Unbarmherzigkeit lassen niemanden unberührt. Ich finde es deshalb sehr sinnvoll, dass in unsrer Nachbarstadt Rodgau am Volkstrauertag traditionell eine Gedenkveranstaltung hier an diesem Ort, an der Gedenkstätte für das ehemalige Lager Rollwald stattfindet. Hier, sozusagen direkt vor unsrer Haustüre, wurden unsre Vorfahren und werden wir heute direkt mit dem Unrechtsstaat der Nazis konfrontiert.“
Rotter weiter: „Den damals politisch Verantwortlichen der Stadt Rodgau ist sehr dafür zu danken, dass sie vor vielen Jahren die Entscheidung getroffen haben, die Erinnerung mit dieser Gedenkstätte auf dem ehemaligen Lagerfriedhof wachzuhalten.
Diese Gedenkstätte spricht zu uns durch Texte, aber auch durch ihre Symbolik – mit den Betonsäulen und dem stilisierten Stacheldraht, die an die Umzäunung erinnern, und den kleinen Blechschildern, die für die Kennzeichnung der Reihengräber stehen. Im Frühjahr markieren blühende Narzissen einige Grabstellen.
Aber auch das, was hier geschah, hat die Stadt Rodgau verdienstvollerweise wissenschaftlich aufarbeiten lassen. 2004 präsentierte die Historikerin Dr. Heidi Fogel das 400 Seiten starke Buch ‚Das Lager Rollwald. Strafvollzug und Zwangsarbeit 1938 bis 1945‘ mit vielen Einzelheiten zur historischen Einordnung des Lagers in die NS-Zeit.
Das Lager Rollwald war eine Einrichtung des Strafvollzugs der NS-Justiz, mit einem Konzentrationslager nicht zu vergleichen, hat sie festgestellt. Doch besteht ihrer Auffassung nach ‚keinerlei Veranlassung, die Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verharmlosen‘. Die Arbeitskraft der Gefangenen wurde radikal ausgebeutet – im Dienste der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft. Gesundheitsgefährdungen und sogar der Tod von Menschen seien in vielen Fällen in Kauf genommen worden. 200 Menschen kamen hier in den Kriegsjahren ums Leben.
Und es waren auch nicht nur ‚normale‘ Straftäter, die hier und in den anderen Lagern einsaßen, die als die „Gefangenenlager Rollwald“ organisatorisch zusammengefasst wurden. Hunderte gesellschaftlich Ausgegrenzte sowie politisch und religiös Verfolgte waren nach den Recherchen von Frau Dr. Fogel hier inhaftiert.
Wenn ich am Anfang meiner Rede davon gesprochen habe, dass diejenigen, die diese Zeit nur aus Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern, aus Dokumenten oder dem Schulunterricht kennen, getroffen sind von dem, was sie gehört und gelesen haben, dann gilt das heutzutage offensichtlich nicht für diejenigen, die für diese schlimmste Epoche der deutschen Geschichte den Begriff „Vogelschiss“ verwenden, die meinen, dass es mit dem Gedenken daran ein Ende haben müsse.
Nein, es darf kein Ende haben! Wenn wir gemeinsam der Opfer des Nationalsozialismus gedenken, dann treten wir ein für unsere Demokratie und die Vielfalt unseres Landes. Das ist die Verpflichtung und Verantwortung, die sich zwingend aus unserer Geschichte ergibt – hier kann und wird es keinen Schlussstrich geben!“