Ball trifft Bücherei: Denkmalkunde mal anders

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Kurzweiliger Abend mit dem Autor Jörg Berkes – Erinnert wurde an Heroen und stille Stars der kickenden Zunft

Passend zur Fußball-Europameisterschaft hatte die Stadtbücherei einen Muntermacher und Leckerbissen unter nostalgischen Vorzeichen zu bieten. Zu einer kombinierten Lesung und Beamer-Show kam der in Langen beheimatete Autor Jörg Berkes nach Rödermark, um dort sein Buch „90 Fußball-Denkmäler in Deutschland“ vorzustellen. Fazit nach dem kurzweiligen Abend: Gräber, Skulpturen oder gar Plätze, die an einstige Heroen der kickenden Zunft erinnern, erzählen oft sehr viel mehr über den jeweiligen Sportler und seine Zeit. Mehr als der erste, flüchtige Blick aufscheinen lässt – wenn man denn genauer hinschaut, nachdenkt und recherchiert.

Genau das war für Berkes und seinen Co-Autor Richard Deiss eine Herzensangelegenheit. Sie sind durch die Republik gereist und haben Orte aufgespürt, die an Stars von einst erinnern. Uwe Seelers überdimensionaler Fuß in Hamburg, Fritz Walter und die anderen „Betzebuwe“ der 54er Weltmeistermannschaft in Kaiserslautern oder der „Eiserne Hermann“ Nuber vor dem Stadion am Bieberer Berg in Offenbach… Das alles zählt zur prominenten Fraktion von Fußballdenkmälern.

Doch es gibt auch Würdigungen der versteckten Art. Gedenken, in Bronze gegossen oder Stein gemeißelt, das quasi im Abseits blüht. Etwa dann, wenn an ehrenamtliche Helfer mit jahrzehntelanger Vereinstreue erinnert wird. Oder wenn der Titel „Fifa-Weltfußballerin des Jahres 2014“ zur Sprache kommt, mit dem einst Nadine Keßler vom VfL Wolfsburg bedacht wurde. „Bemerkenswert: Es ist das einzige Denkmal für eine Frau, das wir ausfindig gemacht haben. Und auch diese Tatsache ist auffällig: Die meisten Ehrenmale wurden privat finanziert. Der DFB hält sich in dieser Hinsicht offenbar zurück, leistet nur manchmal Hilfestellung, ohne in der ersten Reihe zu stehen“, weiß Berkes nach seinen Recherchen zu berichten.

Apropos „bemerkenswert“: Ursprünglich war seine Foto- und Anekdoten-Sammlung als Geburtstagsgeschenk für den Schwiegervater gedacht. Dann wurde ein „richtiges Buch“ mit gut 100 Seiten daraus, bundesweit erhältlich, besprochen und gelobt von Sportjournalisten. Und auch das lässt aufhorchen und staunen: Berkes, der als Justiziar für die Deutsche Bahn tätig ist und sich selbst als „Sportschau-Freund, aber nicht als Fußballfan im klassischen Sinne“ definiert, hatte vor seiner Lesung im Bücherturm noch keine vergleichbare Live-Präsentation erlebt.

Dann das: Er kam nach Rödermark, begann zu erzählen… Und es war beeindruckend, wie eloquent und fachkundig das breit gefächerte Material beleuchtet wurde. Er und sein Freund Deiss wollten „nicht die Standard-Geschichten erzählen“, nicht den x-ten Aufguss von Fußball-Allgemeinwissen auftischen, betonte Berkes. Anders ausgedrückt: Originelles gehört einfach dazu, beispielsweise eine Hommage an Karl Wald.

Der 2011 gestorbene Schiedsrichter gilt als geistiger Vater des Elfmeterschießens. Ab 1970 wurde seine Anregung, bei Gleichstand nach abgelaufener Spielzeit statt Losentscheid doch besser das sportlich-faire „Duell vom Punkt“ zu praktizieren, erst deutschland- und schließlich auch weltweit zum Standard. Im oberbayerischen Penzberg, wo Wald seit 1940 lebte, ist das dortige Stadion nach ihm benannt.

„Das ist für mich auch ein Fußball-Denkmal. Bei der Definition bin ich da ziemlich offen. Ich bestimme, was dazuzählt“, erklärte Berkes augenzwinkernd, ehe er Lust auf einen Fortsetzungsband machte. Dieser Tage erscheint „Fußball war sein Leben“, Teil 2 der Erinnerungsarbeit unter akribischen Vorzeichen. Diesmal wurde auch in Österreich und der Schweiz nach markanten Dingen Ausschau gehalten. Und siehe da: Zu Horst Eckel, der Ende 2021 als letzter „Held von Bern“ zu Grabe getragen wurde, führt der Weg ebenso wie zum „Geist von Spiez“, der untrennbar mit dem WM-Gewinn von 1954 verknüpft ist. Auch Hans Gamper, ein Schweizer Sportler und Geschäftsmann, der als Gründervater des FC Barcelona in die Annalen einging, findet Erwähnung.

Kurzum: Fußballer-Latein vom Feinsten wird serviert. Auch darauf stimmte die Lesung ein. Schade, dass nur ein kleiner Zuhörerkreis dabei war, als Berkes bei seinem Gastspiel in Rödermark verbal groß aufdrehte und eifrig die Werbetrommel rührte.

Büchereileiterin Jenny Roters war dennoch zufrieden. Ihr Fazit: „Es war ein toller, mitreißender Vortrag. Man muss auch dafür mal ein Podium bieten und darf den Erfolg einer solchen Veranstaltung nicht nur an möglichst dichtbesetzten Stuhlreihen festmachen. Wer das Ganze versäumt hat, erhält die beiden Bücher bei uns in der regulären Leihe – und für Kaufinteressierte gibt es auch entsprechende Hinweise.“

Die Stadtbücherei an der Trinkbrunnenstraße im Ober-Röder Ortskern, Telefon 06074 911-631, ist werktags jeweils von 10 bis 13 Uhr und (außer donnerstags) von 15 bis 18 Uhr geöffnet.

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Bibliothekar Bernhard Nowak, Autor Jörg Berkes und Jenny Roters, die Leiterin der Rödermärker Stadtbücherei (von links).
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