Berührende Erinnerung an jüdisches Leben in Rödermark

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Rekordbeteiligung an der Gedenkfeier zur Reichspogromnacht – Theaterszenen an der ehemaligen Synagoge

Mit einer ebenso beeindruckenden wie berührenden Gedenkfeier an der ehemaligen Synagoge und dem Gedenkort Bahnhofstraße 18 schräg gegenüber hat die Stadt am vergangenen Samstag an ihre ehemaligen jüdischen Mitbürger erinnert. Zum 81. Mal jährte sich an diesem 9. November die Reichspogromnacht, deren Ereignisse auch in Urberach und Ober-Roden eine schwerwiegende Eskalation bei der Ausführung der Pläne der Nazi-Diktatur zur Entrechtung von Menschen jüdischen Glaubens und zur Vernichtung jüdischen Lebens in Deutschland und Europa markierten.

Sie hießen mit Nachnamen Adler, Hecht, Katz oder Strauß, sie lebten als ganz normale Nachbarn unter ihren christlichen Mitbürgern – bis zur Pogromnacht im Jahre 1938. In der Nacht vom 10. auf den 11. November wurden die letzten Urberacher und Ober-Röder jüdischen Glaubens, die trotz der zunehmenden Repressionen durch die Nazis geblieben waren, vom braunen Mob zunächst aus ihrem Heimatort vertrieben und einige später in die Vernichtungslager im Osten deportiert, wo keiner überlebte. An sie erinnert seit 2010 der Gedenkort in der Bahnhofstraße 18, dort, wo einst das Wohnhaus der Familie Katz stand und nebenan das der Adlers. An diesem Gedenkort mit dem gepflasterten Davidsstern und den beiden Stelen mit Namen und Erläuterungen endete eine kleine Lichterprozession. Bürgermeister Jörg Rotter las die Namen jener 17 Urberacher und vier Ober-Röder vor, die Opfer der Gewaltherrschaft wurden. Danach stellten die Teilnehmer – so viele wie in diesem Jahr waren es noch nie – mit ihren Kerzen den Davidsstern nach.

Begonnen hatte das Gedenken an der ehemaligen Synagoge mit ersten Einblicken in eine Theaterperformance. Celine Kaczmarczyk, Alessia Sedlmayer, Lina Hanus, Marica Acone, Melina Mlodoch, Nils Neidig (Nell-Breuning-Schule), Carolin Henning, Sina Zastrow (Ricard-Huch-Schule, Sprendlingen) Damian Murmann (Claus-von-Stauffenberg-Schule, Dudenhofen) und Florian Wehner (Adolf-Reichwein-Gymnasium, Heusenstamm) haben sich unter der Leitung von Oliver Nedelmann zu einer Jugendtheatergruppe zusammengefunden, ein Projekt, das von der Initiative Stolpersteine in Rödermark initiiert wurde. Die Jugendlichen beschäftigen sich mit dem Schicksal von Jugendlichen in Ghettos und KZs. Im Mittelpunkt stehen die beiden großen Reisen, die die Geschwister Jaky und Rosel Hecht aus Ober-Roden nach 1938 unternehmen mussten. Jaky führte seine Reise nach Israel, Rosel nach Maly Trostinec in den Tod.

Szenen aus dem noch nicht fertiggestellten Stück auf der Basis historischer Tatsachen rührten und bewegten die Zuschauer am Straßenrand zutiefst, auch die Auszüge aus dem zum Teil fiktiven Briefdialog zwischen den Geschwistern und ihrer Oma Frieda Kahn. Mehrfach hörte man einen Satz, der sinngemäß noch heute die Menschen in Unverständnis zurücklässt: „Woher kam der Hass auf uns?“ Mit ihren eigenen Namen und ihrem Alter brachten die jungen Leute immer wieder ihre eigene Verbundenheit ein.

„Lassen Sie uns alle an jedem Tag mit dem Verständnis von heute daran arbeiten, dass so etwas wie vor 81 Jahren nie wieder passiert“, mahnte Bürgermeister Jörg Rotter nach der szenischen Darstellung. Dies sei gerade heute in einer Zeit tiefgreifender Veränderungen wichtig. „Rasante Umbrüche machen Menschen Sorgen. Durch die Beschleunigung der Globalisierung und den digitalen Fortschritt fühlen sich nicht wenige zurückgelassen. In solchen Zeiten ist die Gefahr immer besonders groß, dass diejenigen Zulauf bekommen, die mit vermeintlich einfachen Antworten auf die Schwierigkeiten und Folgen der Umbrüche reagieren – einfache Antworten, die zu häufig auch mit einer Verrohung der Sprache auf den Straßen wie auch im Netz einhergehen. Das ist der Anfang, dem wir ganz entschieden entgegentreten müssen. Der Rechtsstaat darf keine Toleranz zeigen, wenn Menschen aufgrund ihres Glaubens oder aufgrund ihrer Hautfarbe angegriffen werden. Diese Schlüsse zu ziehen, ist unsere Aufgabe nicht allein an einem solchen Gedenktag. Wir sollten jeden Tag darüber nachdenken.“

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