Drei Akte und eine Aufwärmrunde– das Lustspiel namens „Orwischer Kerb“ zauberte auch in seiner 2024er Version ein Lächeln auf die Gesichter aller Beteiligten, seien es die Verantwortlichen und die Organisatoren im Hintergrund oder diejenigen, für die sich alle wieder mächtig ins Zeug gelegt hatten, nämlich die Besucher aus Nah und Fern, die dieses Fest fürs Volk in vollen Zügen genießen durften. Dass das Wetter – wie so oft rund ums erste September-Wochenende – mitspielte, bescherte allen Besuchern viel Vergnügen auf der Festmeile rund um den Dalles.
Ob in den Vereinszelten, den Gaststätten oder an den Buden und Karussells – überall war der Andrang groß. Das galt zumindest in den Abendstunden. Für noch besseren Besuch auch tagsüber sei es einfach zu heiß gewesen an diesem hochsommerlichen Spätsommerwochenende, bilanzierte Thomas Herrmann, der Vorsitzende der zum Verein mutierten Kerbkommission. Dennoch waren die Strippenzieher dieses festlichen Vergnügens „rundum zufrieden“ – zumal es, so Herrmann, an allen Tagen ruhig geblieben sei, sprich: Es gab keine handfesten Auseinandersetzungen; die Polizei, nach Solingen in Mannschaftsstärke präsent, musste nicht eingreifen.
Wie immer durfte schon am Freitag über die Kerbmeile flaniert werden, doch offiziell eröffnet wurde das bunte Treiben erst am Samstag. Am Café Schließmann in der Darmstädter Straße setzte sich ein kleiner Kerbumzug in Bewegung: vorneweg ein Dutzend Musiker vom MV 06 Urberach, dann hinter der Kerbfahne 27 Kerbborsche und Kerbmeedschen, Kerbkommission samt Bürgermeister und der 1999er Borsche- und Meedchen-Jahrgang. Über Töpferstraße, Traminer Straße, Robert-Bloch-Straße und Bahnhofstraße ging es zum Dalles, wo schon der Kerbborsch auf seine Inthronisation wartete.
Werner Popp, der den offiziellen Teil wie gewohnt moderierte, stellte ihn vor. Eigentlich hätte im jährlichen Fortschreiten nach dem Alphabet sein Name diesmal mit „O“ beginnen müssen. Doch alle Verantwortlichen waren sich einig: Der gutgekleidete Kerl muss „Hülles“ heißen. Damit wurde einem Mann die Ehre erwiesen, der über viele Jahre die Orwischer Kerb mitgeprägt hat: Dieter Hüllmandel, eben als „Hülles“ bei allen bekannt und beliebt und im Frühjahr verstorben, wurde von der Urberacher Wehr hoch oben auf dem aus dem Vorjahr recycelten Baum in Szene gesetzt. Thomas Herrmann stellte danach die Silberjubilare vor und ehrte sie mit eigens gravierten Gerippten. Vorher hatte er eines verstorbenen Mitglieds des Jahrgangs gedacht.
Dann wurde eine Tradition neu belebt: Drei Mitglieder des Historientrupps der Schützengesellschaft schossen mit ihren altertümlichen Handfeuerwaffen dreimal Salut. Zweimal klappte dies zwar erst im zweiten Anlauf, doch das war der Stimmung nur zuträglich.
Anschließend galt es, das erste Fass Bier anzustechen: Eine Aufgabe für Bürgermeister Jörg Rotter. Nach einem kräftigen Schlag saß der Zapfhahn und das Freibier konnte fließen. Doch auch Erste Stadträtin Andrea Schülner war gefordert – beim Ebbelwoi-Anstich. Eine einfachere Aufgabe, denn der XXL-Bembel lag bequem im „Faulenzer“. Nach einer Verschnaufpause wurde es dann nach und nach immer voller auf der Feiermeile.
Der Sonntag begann mit dem Kerbgottesdienst in der St.-Gallus-Kirche. Nach dem Motto „korz, awwer gut“ bewegte sich dann am Nachmittag ein Kerbumzug – neben den Protagonisten vom Samstag waren auch Jugendfußballer des FC Viktoria dabei – über die Festmeile zum Dalles, wo Kerbvadder Max Mertink den Kerbspruch verkündete. Texter Peter Knapp zeigte sich versöhnlich gestimmt: Ermahnt wurde der KSV, gelobt der BSC, erinnert an den Hülles und an den ebenfalls verstorbenen Johannes Süß, einen der Initiatoren der Kerb-Rückkehr in den Ort, geschwärmt vom Partnerschaftswochenende mit Polen und Ungarn…kurzum: ein Kerbspruch der eher leisen Töne, vorgetragen mit hörbar mitgenommener Stimme.
Direkt im Anschluss gab es auf der Bühne der offenen Arbeit „Kirche einmal anders!“ – zur Freude von Pfarrer Klaus Gäbler. Auf der Kerbmeile wurde es danach wieder enger, an den Buden und Ständen verpulverten die Kinder ihr Kerbgeld. Wer sich am Montag Urlaub genommen hatte, blieb auch am Sonntag ein paar Stunden länger. Mit dem ausgedehnten Frühschoppen – unter reger Beteiligung der Stadtverwaltung – ging die Kerb am Montag dann zu Ende.