Zeugin einer schlimmen Zeit

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Anlässlich des Holocaust-Gedenktags: Gespräch mit der Theresienstadt-Überlebenden Liesel Binzer an der Nell-Breuning-Schule

Liesel ist nicht einmal sechs Jahre alt, wahrscheinlich kann sie das alles noch gar nicht richtig verstehen: Am 31. Juli 1942 wird sie zusammen mit ihren Eltern in einen Viehwaggon gesteckt; gleich als der Zug in Theresienstadt ankommt, trennt man sie von Vater und Mutter. Sie kommt ins Kinderheim des KZ, die Mutter macht sich durch harte Arbeit unentbehrlich, und auch der Vater versucht irgendwie zu überleben, obwohl er als Kriegsversehrter aus dem Ersten Weltkrieg beide Beine verloren hatte und dadurch besonders gefährdet ist. Fast drei Jahre dauert ihre Leidenszeit, doch als die russische Armee das KZ am 8. Mai 1945 befreit, können sie es als Überlebende verlassen, was Liesel Binzer, wie sie heute heißt, einfach nur als „Wunder“ bezeichnet. Von den drei Jahren in Theresienstadt und auch über ihr Leben danach wird sie am Freitag, dem 25. Januar, ab 10 Uhr im „Roten Oswald“ der Oswald-von-Nell-Breuning-Schule berichten. Zu diesem Zeitzeugengespräch ist auch die interessierte Rödermärker Öffentlichkeit herzlich eingeladen. Damit wollen Stadt und NBS auch in diesem Jahr anlässlich des Holocaust-Gedenktages (27. Januar) wieder Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit der schlimmsten Phase der deutschen Geschichte geben.

Liesel Binzer wurde 1936 als Liesel Michel in Münster/Westfalen geboren und wuchs in Warendorf auf. Ihre Eltern waren deutsche Juden, die ihren Stammbaum in Deutschland zurück bis ins 16. Jahrhundert verfolgen konnten. Nach der Befreiung kehrte die Familie zurück in ihre westfälische Heimat. Liesel Binzer legte ihr Abitur ab, heiratete und lebt seit den 60er-Jahren in Offenbach. Seit einigen Jahren ist sie als Zeitzeugin aktiv und formulierte ihre Erinnerungen in dem Buch „Ich prägte mein Leben in - wegen - trotz Theresienstadt“. Sie ist Vorstandsmitglied der „Child Survivors Deutschland e.V.“ (CSD, www.child-survivors-deutschland.de), einem Verein zur Selbsthilfe für Menschen, die als Kinder den Holocaust überlebt haben. Die Mitglieder gehen als Zeitzeugen in Schulen unter dem Motto „Fragt uns, wir sind die letzten“.

Seit 2016 ist Liesel Binzer regelmäßig an der Nell-Breuning Schule zu Gast. Die Zeitzeugengespräche mit der eloquenten 82-jährigen wurden bereits mit verschiedenen Jahrgängen durchgeführt. „Kennengelernt haben wir Frau Binzer durch einen Zufall“, berichtet Schulleiterin Christine Döbert. „An der Schule waren 2016 über das Projekt ‚Jüdisches Leben in Frankfurt‘ Nachkommen von Holocaust-Überlebenden aus Argentinien zu Gast. Über diese Personen wurde uns ein Kontakt zu Frau Binzer vermittelt.“ Seitdem versuche die Fachschaft Geschichte den Schülerinnen und Schülern diese persönlichen Begegnungen mit Liesel Binzer immer wieder zu ermöglichen.

 

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