„Industrie 4.0“ und eine gerechte Zukunft der Arbeit

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22. Rödermärker Hochschultag mit Prof. Dr. Bernhard Emunds, einem der bedeutendsten Sozialethiker Deutschlands und Leiter des Nell-Breuning-Instituts

„Digitalisierung der Wirtschaft – gerechte Zukunft der Arbeit“: So lautet das hochaktuelle Thema des 22. Rödermärker Hochschultags, zu dem die Nell-Breuning-Schule (NBS) und die Stadt Rödermark die Schulgemeinde sowie alle Bürgerinnen und Bürger für Montag, den 4. Dezember (18.30 Uhr) in die Kulturhalle einladen. Referent ist Prof. Dr. Bernhard Emunds. Er lehrt Christliche Gesellschaftsethik und Sozialphilosophie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen und leitet das dort angesiedelte Nell-Breuning-Institut. Emunds führt damit die Tradition fort, die untrennbar mit dem Namensgeber der Rödermärker Europa-Schule, Oswald von Nell-Breuning, verbunden ist. Die NBS hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Andenken und die Werte Nell-Breunings zu pflegen und aktiv weiterzuführen. Sie freut sich deshalb außerordentlich, den profiliertesten Vertreter der katholischen Soziallehre in Deutschland in Rödermark begrüßen zu dürfen.

Das Thema des Abends sollte alle ansprechen, insbesondere aber auch die Schüler der Oberstufe, die sich ja bald entscheiden müssen, wie sie und wo sie in Zukunft arbeiten wollen. Denn offenbar steht uns eine neuerliche und fundamentale Veränderung der Arbeitswelt bevor. Diese Veränderungen betreffen das allgemeine Dienstleistungsgewerbe (durch autonomes Fahren, Drohnen oder Netzberatungen) und die Fertigungsindustrie. So stellt beispielsweise seit 2016 die Flugzeugfirma Airbus im norddeutschen Varel Bauteile für ihre Maschinen (Rumpf, Tank etc.) zunehmend selbst her. Dafür benutzt sie sogenannte 3D-Drucker. Das sind Geräte, die im „Additive Layer Manufacturing“-Verfahren Schichten um Schichten eines Werkstückes dreidimensional aufbauen. Die Maschine verwendet dazu ein feines Granulat aus Aluminium oder Titan, und dies nach Maßgabe von digitalen Modellen der herzustellenden Teile. Vor der Einführung des Verfahrens wurden die Bauteile bei einem Zulieferer aufwändig gegossen oder aus einem Block herausgefräst. Jetzt ist man nicht nur von diesem unabhängig, die Produktion wird auch erheblich effizienter, weil sie sich nun selbst steuert, die Zulieferung des Metallgranulats digital regelt und mit der Montagehalle vernetzt ist. Man benötigt kaum mehr Lagerkapazitäten oder Lageristen und natürlich auch keine Schweißer oder Fräser mehr; mithin kann man sogar Ingenieure einsparen. Sensorik und Algorithmen sind darauf ausgelegt, die Produktion selbstständig zu optimieren.

Damit werden zwar Produktivität und Profit bei Airbus und anderen Unternehmen, die auf die „Industrie 4.0“ setzen, erheblich gesteigert werden können, es ist aber keineswegs ausgemacht, dass die gesamtgesellschaftliche Wertschöpfung wächst. Vielmehr wird die Erwerbsarbeit weiter zurückgehen, denn man benötigt nun z. B. für die Herstellung eines Flugzeugteils nicht mehr sechs, sondern nur noch einen Beschäftigten. Wenn wir 3D-Fertigungsanlagen (dazu: www.3d-grenzenlos.de, www.Heise.de) in allen Industriebereichen einsetzen, wird uns folglich die quantitativ orientierte, industrielle Erwerbsarbeit bald ausgehen.

Die Antwort darauf kann nicht ein bedingungsloses Grundeinkommen sein, sondern nur eine massive gesellschaftliche und staatliche Aufwertung einer qualitativen, personenbezogenen Erwerbsarbeit, und zwar vor allem der, die Prof. Emunds „Sorgearbeit“ nennt.

Oswald von Nell-Breuning wusste noch nichts von 3D-Druckern, ihm war aber allemal an einer gerechten und am Gemeinwohl orientierten Verteilung von Arbeit gelegen: „Die katholische Soziallehre hält mit Entschiedenheit daran fest, daß das Lohnarbeitsverhältnis sich in einer Weise gestalten läßt, die diesen Anforderungen [nämlich denen der „Menschenwürde“ und der „Gerechtigkeit“] genügt. (Oswald von Nell-Breuning, Gerechtigkeit und Freiheit: Grundzüge katholischer Soziallehre, Wien: Europa Verlag, 1980, p. 224.)

Prof. Emunds ist einer der bedeutendsten Sozialethiker Deutschlands und der direkte Nachfolger von Friedhelm Hengsbach, der vor einigen Jahren einen sehr erfolgreichen Hochschultag gestaltet hat. Er ist nicht nur durch eine große Anzahl wichtiger Veröffentlichungen hervorgetreten, sondern auch durch sein sozial- und kirchenpolitisches Engagement, etwa im Zentralkomitee der deutschen Katholiken oder als Mitglied der Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik, aber auch durch seine Beiträge im Rundfunk, in der Süddeutschen Zeitung oder Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Die Bandbreite seiner Forschungsinteressen wird schon an den Titeln seiner Monographien deutlich. So hat er eine vielbeachtete „Politische Wirtschaftsethik globaler Finanzmärkte“ (2014) und eine hochbrisante Studie „Damit es der Oma gutgeht: Pflege-Ausbeutung in den eigenen vier Wänden“ (2016) vorgelegt. Prof. Emunds ist damit nicht nur mit den Tiefen (oder Untiefen) der Finanz- und Wirtschaftstheorie, dem Faktor Kapital, vertraut, sondern auch mit dem Faktor Arbeit, besonders mit der konkreten Situation wirtschaftlich und sozial benachteiligter Menschen wie den ausländischen Pflegekräften oder Hartz4- Empfängern in unserem Land. Wer sich darüber hinaus für die harten Probleme der Metaethik interessiert, kann sich auch mit Gewinn mit seinem von ihm mitherausgegebenen Werk „Vom Sein zum Sollen und zurück. Vom Verhältnis von Faktizität und Normativität“ (2004) auseinandersetzen.

Prof. Dr. Philipp Wolf

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