Gefährliche Kluft zwischen den Eliten und dem Rest der Bevölkerung

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Der Soziologe und Elitenforscher Prof. Michael Hartmann trug seine Thesen beim 25. Hochschultag von Nell-Breuning-Schule und Stadt vor

„Eliten – Säulen oder Bedrohung der Demokratie?“ – so lautete das brisante Thema des 25. Hochschultages von Nell-Breuning-Schule und Stadt. Referent war am Montag vergangener Woche der renommierte Soziologen und Elitenforscher Prof. Dr. Michael Hartmann. Neben Schülerinnen und Schülern waren auch wieder viele interessierte Bürgerinnen und Bürger der Einladung der Veranstalter gefolgt. Nach dem Vortrag, den Professor Hartmann völlig frei hielt, entwickelte sich eine spannende Diskussion um die Thesen des Wissenschaftlers, die durch diverse erfolgreiche Publikationen auch einem breiteren Publikum bekannt geworden sind.

Als Elite werden laut der wissenschaftlichen Definition jene Personen angesehen, die kraft ihrer gesellschaftlichen Position längerfristig Einfluss nehmen oder Macht ausüben. Der engere Kreis dieser Elite beschränkt sich auf etwa 1000 Personen in der Politik, im Wissenschaftsmanagement, in der Wirtschaft oder der Justiz. In der Bundesrepublik würden Eliten, anders als in der Weimarer Republik, überwiegend als Säulen der Demokratie angesehen, so Professor Hartmann. Man müsse aber dennoch vorsichtig sein. Aufgrund der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte sei in Deutschland die Kluft zwischen den Eliten und dem Rest der Bevölkerung stark gewachsen. Dadurch sei ein zunehmendes Protestpotenzial entstanden, das Rechtspopulisten nutzten.

In fast allen Industrieländern, so Hartmann, habe der Rechtspopulismus in den vergangenen 20 bis 30 Jahren einen massiven Aufschwung genommen. Das liege vor allem daran, dass zu einem stabilen Wählerreservoir bestehend aus Menschen mit einem traditionell rechtsgerichteten Weltbild dieses Protestpotenzial von Menschen hinzugekommen sei, deren wirtschaftliche Situation sich in den letzten Jahren verschlechtert habe. „Der Rechtspopulismus erreicht somit auch Menschen, die früher links der Mitte gewählt haben. Damit hat er etwas geschafft, was früher nicht vorstellbar war, und er hat sein Wählerreservoir entscheidend verbreitert“, so Hartmann.

Zur Verschlechterung der Lebenswirklichkeit von circa 10 Prozent der Menschen in Deutschland, so Hartmann, hätten unter anderem eine Vielzahl politischer Beschlüsse zwischen 1999 und 2009 beigetragen, vor allem in Zeiten der rot-grünen Koalition. Ein Beispiel sei die weitgehende Abschaffung bzw. Reduzierung der Vermögenssteuer und der Erbschaftsteuer für Familienunternehmen. Während die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung in der Summe steuerlich entlastet worden seien, seien die unteren zehn Prozent belastet worden. Hartmann wünscht sich den Spitzensteuersatz von 53 Prozent aus der Regierungszeit von Helmut Kohl zurück. Durch geschickte Steuermodelle und Steuerflucht, durch Erbschaften und eine bevorteilende Steuerpolitik seien Einkommen und Vermögen der Eliten überproportional angewachsen.

Das politische Spitzenpersonal komme überwiegend aus dem Bürgertum, also den oberen drei bis fünf Prozent der Bevölkerung. Kaum einer der Spitzenpolitiker habe heute mehr einen Arbeiterhintergrund, so Hartmann. Dadurch entferne man sich zunehmend von der Lebenswirklichkeit der Normalbevölkerung. Wenn man etwas ändern wolle, müsse sich die soziale Zusammensetzung des politischen Spitzenpersonals radikal ändern und der politische Kurs um 180 Grad gedreht werden. Vor allem müssten sich junge Menschen stärker in den Parteien engagieren.

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