„Europa, das Land und die Stadt – gemeinsam für den Rechtsstaat“

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Rede von Prof. Dr. Roman Poseck, Präsident des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen und des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, anlässlich des Bürgerempfangs der Stadt Rödermark am Samstag, dem 9. März

Eingebunden in den ersten Block des Festivals „Kultur ohne Grenzen – Frieden und Freiheit in Europa“ war am vergangenen Samstag ein Bürgerempfang. Ehrengast war kein Geringerer als Professor Dr. Roman Poseck, Präsident des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen, der eine viel beachtete Rede zum Thema „Europa, das Land und die Stadt – gemeinsam für den Rechtsstaat“ hielt (siehe unten). Danach trug sich der renommierte Jurist ins Goldene Buch der Stadt ein.

Bürgermeister Roland Kern zeigte sich „hocherfreut“, einen „ganz besonderen Gast“ begrüßen zu dürfen, der üblicherweise vor einem Fachpublikum spreche oder vor einem Auditorium, das sich aus miteinander streitenden Parteien zusammensetze. „Sehr geehrter Herr Dr. Poseck, wir wissen Ihre Anwesenheit sehr zu schätzen. Sie erweisen uns damit eine ganz besondere Ehre.“

Bürgermeister Kern weiter: „Die Vertreter der Zweiten Gewalt im Staate, die Judikative, treten in der öffentlichen Wahrnehmung hinter der Legislative und der Exekutive – also der Politik – üblicherweise zurück. Ich halte es aber für durchaus angebracht, dass die Repräsentanten des demokratischen Staates insgesamt deutlicher hervortreten und die verfassungsmäßigen Errungenschaften und Werte in ihrer Gänze verkörpern und darstellen! Nur so wird in seiner ganzen Breite das Bewusstsein dafür geschärft, mit welcher Substanz der demokratische Staat verfasst ist und wie sich die Gewalten in gegenseitiger Kontrolle und Balance befinden.

Das alles sind keine Selbstverständlichkeiten, sondern vom Volke hart erkämpfte und den staatlichen Organen zugewiesene und übertragene Rechte und Pflichten.

So will ich, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, in diesem Jahr auf die Bilanzierung unserer Jahresarbeit verzichten und es bei der Feststellung bewenden lassen: Unsere Stadt befindet sich und lebt in guter Verfassung!“

 

Rede von Prof. Dr. Roman Poseck, Präsident des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen und des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, anlässlich des Bürgerempfangs der Stadt Rödermark am Samstag, dem 9. März:

„Europa, das Land und die Stadt – gemeinsam für den Rechtsstaat“

Es ist mir eine große Freude, heute Abend im Rahmen des Kulturfestivals zu Ihnen sprechen zu können. Als die Anfrage von Herrn Kern vor einigen Wochen kam, habe ich nur kurz überlegen müssen. Nachdem ich erfahren hatte, worum es bei der Veranstaltung heute und dem Festival in diesen Tagen geht, war eine Zusage für mich eine Selbstverständlichkeit.

Ich bin beeindruckt, was die Stadt Rödermark und ihre Bürgerinnen und Bürger auf die Beine stellen. Hier wird Europa erlebbar und das mit seinen besten Seiten. In Zeiten verbreiteter Europaskepsis kommt es mehr denn je darauf an, das Verbindende und den Mehrwert eines geeinten Europas hervorzuheben.

Frieden, Freiheit und Wohlstand wird es nur mit und nicht gegen Europa geben. In einer Welt, die aus den Fugen gerät, in der Rechtsstaat und Demokratie in vielen Staaten auf dem Rückzug sind, in der die Vereinigten Staaten mit ihrem aktuellen Präsidenten kein verlässlicher Partner mehr sind, in der viele Herausforderungen, wie beispielsweise der Klimawandel oder die Migration, globale Ursachen haben, kann es nur eine Antwort geben: ein starkes, ein geeintes Europa, das für seine gemeinsamen Werte eintritt.

Wir dürfen das Feld nicht denen überlassen, die den Einigungsprozess in Europa schlecht reden und im Nationalismus die Antwort auf die Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft sehen. Alleine werden wir Zukunft nicht gestalten können – weder als Stadt noch als Land. Nur ein Europa, das geeint und solidarisch ist, steht für eine erfolgreiche Zukunft.

Was bei den Heilsversprechen von Nationalisten herauskommen kann, erleben wir zurzeit in Großbritannien: ein gespaltenes Land, das sich in einer Sackgasse befindet und in dem positive, gestaltende Mehrheiten kaum noch möglich scheinen. Viele wissen, was sie nicht wollen. Aber wofür sie stehen, wird kaum deutlich; jedenfalls lässt sich keine Mehrheit für einen Weg in die Zukunft erkennen.

Wir brauchen neue Impulse für einen europäischen Einigungsprozess, der von den Menschen vor Ort befürwortet und mitgestaltet wird. Er muss alle Ebenen – Europa selbst, das Land und die Stadt – mitnehmen. Die Politik kann diesen Prozess auch nicht von oben verordnen.

Europa muss auch mehr als rechtliche Vorgabe und Bürokratie sein. Aus diesem Grund finde ich nicht nur diesen Bürgerempfang und die Ausstellung, die gleich eröffnet wird, ausgesprochen wertvoll, sondern sehe das gesamte Engagement der Stadt Rödermark als Beispiel gebend an.

Rödermark ist ein Vorbild an Europaorientierung, im Herzen Hessens und im Herzen Europas. Hier vor Ort wird deutlich, dass Heimatverbundenheit und Europafreundlichkeit kein Widerspruch, sondern zwei Seiten derselben Medaille sein können.

Ich gebe gerne zu, dass ich als Limburger vor dem heutigen Abend nur eine ungefähre Vorstellung von Rödermark hatte. Ich wusste, dass es eine Stadt im Landkreis Offenbach und Ziel einer S-Bahn-Linie ist; ich kannte den Bürgermeister der Stadt, auch als früheren Richter am Staatsgerichtshof. Aber über das Europaengagement wusste ich naturgemäß nichts. Umso beeindruckter bin ich über das, was ich zwischenzeitlich herausgefunden habe. Die lebendige Partnerschaft mit Städten in Ungarn, Italien und Österreich, aber auch Frankreich, Polen und der Türkei ist ein wichtiger Beitrag für das friedliche Zusammenleben und das gegenseitige Verstehen von Menschen. Von daher freue ich mich auch sehr über die Anwesenheit der Vertreterinnen und Vertreter aus den Partnerstädten. Auch das Engagement der Oswald-von-Nell-Breuning-Schule als Europaschule verdient besondere Anerkennung. Hier werden Schülerinnen und Schüler fit für Europa gemacht und europäische Werte vermittelt.

Ich selbst bin und bleibe ein überzeugter Europäer. Meine Generation – ich bin 1970 geboren – hat wahrscheinlich wie keine andere vom europäischen Einigungsprozess profitieren können. Wir sind mit ihm aufgewachsen und groß geworden. Frieden, Freiheit und Wohlstand waren prägend für die meisten von uns in den letzten 50 Jahren. Ohne die Europäische Union hätte es diese Entwicklung nicht gegeben. Meine Generation hat diesen Kontinent in der Schulzeit und danach bereist, Interrail und Flugreisen gemacht, im europäischen Ausland studiert, tolle Landschaften, Städte, Kulturen und Menschen kennen gelernt und das bei offenen Grenzen innerhalb Europas.

Meine Auslandsaufenthalte in Perpignan in Südfrankreich nach dem Abitur und in Utrecht in den Niederlanden im Rahmen des Erasmus-Programms während des Studiums gehören für mich zu den besten und prägendsten Erfahrungen meiner Ausbildung. Gerade als ich Mitte der 90er Jahre in den Niederlanden studiert habe, hatte die Europäische Union eine große Strahlkraft, vor allem auch für die Staaten in Osteuropa. Ich hätte mir damals nicht vorstellen können, dass wir heute in Europa wieder für die Akzeptanz der Europäischen Union aktiv werben müssen.

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat in dieser Woche ein deutliches Plädoyer für einen „Neubeginn in Europa“ gestartet. Wörtlich heißt es in seinem Aufsatz, der auch auf Deutsch erschienen ist: „Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg war Europa so wichtig. Und doch war Europa noch nie in so großer Gefahr. … weder Frieden noch Europa sind Selbstverständlichkeiten.“

Ich will mich in meinem Vortrag den verschiedenen Ebenen, die unser Leben prägen, nämlich Europa, dem Land und der Stadt, widmen und meinem beruflichen Hintergrund entsprechend Verbindungen zum Rechtsstaat herstellen.

Die Europäische Union und der Rechtsstaat haben gerade in diesen Zeiten viele Gemeinsamkeiten. Sie sind unverzichtbare Errungenschaften der letzten Jahrzehnte; sie werden vielfach zu selbstverständlich genommen und gelegentlich zum Sündenbock gemacht. Sie sind manchmal kompliziert; sie setzen nicht auf die schrankenlose Durchsetzung von Einzelinteressen, sondern führen unterschiedliche Interessen zusammen und gleichen diese aus. Gerade deshalb tun sie sich auch schwer mit den pauschalen und vereinfachenden Angriffen und Verunglimpfungen, wie wir sie leider heutzutage erleben.

Die Europäische Union und der Rechtsstaat sind untrennbar miteinander verbunden. Die Rechtsstaatlichkeit ist eines der tragenden Prinzipien des europäischen Einigungsprozesses. Sie verbindet die Länder Europas und unterscheidet diese von vielen anderen Staaten.

Wenn die Europäische Union scheitern sollte, bin ich fest davon überzeugt, dass auch die Rechtsstaatlichkeit in Europa irreparablen Schaden erleiden würde. Und umgekehrt gilt das Gleiche: Eine Beschädigung der Rechtsstaatlichkeit ist gleichzeitig auch ein irreparabler Schaden für die Europäische Union. Sie wäre in ihrem Markenkern getroffen.

Die normativen Grundlagen für die Rechtsstaatlichkeit sind unmissverständlich. Sie finden sich auf allen Ebenen – in Europa, im Land und in der Kommune.

Artikel 2 des Vertrages über die Europäische Union ist die Grundlage für die Rechtsstaatlichkeit in jedem Mitgliedsstaat bis zu jeder Kommune:

„Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedsstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“

Unser Grundgesetz ist europafreundlich, stellt dies aber auch unter die Bedingung der Rechtsstaatlichkeit. In Artikel 23 GG heißt es:

„Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet.“

Und auch die Menschen in Hessen haben im Rahmen der Volksabstimmung im Oktober 2018 ein klares Bekenntnis zu diesem Europa abgegeben. Sie haben mit der großen Mehrheit von 82,4 Prozent für einen neuen Artikel 64 mit folgendem Wortlaut gestimmt:

„Hessen ist ein Gliedstaat der Bundesrepublik Deutschland und als solcher Teil der Europäischen Union. Hessen bekennt sich zu einem geeinten Europa, das demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen sowie dem Grundsatz der Subsidiarität, verpflichtet ist, die Eigenständigkeit der Regionen wahrt und deren Mitwirkung an europäischen Entscheidungen sichert.“

In der Hessischen Verfassung werden also die Eigenständigkeit der Regionen und das Bekenntnis zu einem geeinten Europa gleichermaßen hervorgehoben. Es geht hier eben nicht um ein „entweder oder“, sondern um ein „sowohl als auch“.

Das Bekenntnis zu Europa passt zu einer Region wie dem Rhein-Main-Gebiet, die im Herzen Europas liegt, die wie kaum eine andere international geprägt ist und deren wirtschaftlicher Erfolg von der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union ganz besonders abhängig ist.

Und wer hier in Rödermark Fan von Eintracht Frankfurt ist, hat sein Team mit Sicherheit schon mit der Hymne angefeuert und dabei mit voller Inbrunst „Im Herzen von Europa“ gesungen und das nicht erst, seitdem die Eintracht auch in Europa erfolgreichen Fußball spielt. Gerade wir Hessinnen und Hessen haben allen Grund, gute und dankbare Europäer zu sein.

Diese grundlegenden Normen zur Rechtsstaatlichkeit müssen aber auch auf allen Ebenen – in Europa, im Land und in der Stadt – mit Leben gefüllt werden. Wie fällt eine Bestandsaufnahme hierzu aus? Ich persönlich erkenne viel Licht, aber auch etwas Schatten.

Dabei bedarf es auch der Definition, was Rechtsstaatlichkeit ausmacht. An dieser Stelle sehe ich in der aktuellen Debatte einige Missverständnisse oder bewusste Verzerrungen.

Ein Rechtsstaat ist nicht nur durch einen starken Staat gekennzeichnet. Wesensmerkmal des Rechtsstaats ist es auch, dass der Rechtsstaat Bürgerinnen und Bürger vor einem zu starken, übergriffigen Staat schützt. Die Menschen sind im Rechtsstaat keine Objekte, sondern Subjekte mit eigener Würde und eigenen Rechten und das unabhängig von ihrer Herkunft. Hass, Ausgrenzung und Intoleranz stehen im Widerspruch zur Rechtsstaatlichkeit.

Kernelement von Rechtsstaatlichkeit ist die Bindung an das Recht und zwar an erster Stelle die Bindung aller staatlichen Gewalt an Recht und Gesetz.

Darüber hinaus ist ein Rechtsstaat nur mit einer funktionsfähigen, unabhängigen Justiz vorstellbar, die das Recht durchsetzt. Das Gebot des fairen Verfahrens und die Gewährung effektiven Rechtsschutz sind dabei elementar.

Gemessen an diesen Maßstäben sehe ich ein sehr hohes Maß an Rechtsstaatlichkeit in Europa, in unserem Land und in unseren Kommunen.

Das Handeln der Verwaltung gefällt nicht immer jeder und jedem; das liegt in der Natur der Sache, weil auch unangenehme Entscheidungen zu treffen sind. Aber es lässt sich nach meiner Wahrnehmung nicht in Abrede stellen, dass die Bindung an das Recht für das Handeln der Exekutive bei uns in allen Bereichen prägend ist.

Leider gibt es auch bei uns ein paar Ausreißer, wie beispielsweise die Weigerung der Stadt Wetzlar, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen, oder die Abschiebung eines Tunesiers aus Nordrhein-Westfalen unter Missachtung laufender gerichtlicher Verfahren. Nach meiner Einschätzung handelt es sich hier um negative Einzelfälle der Missachtung von Rechtsstaatlichkeit, die alarmierend, aber einer Verallgemeinerung (noch) nicht zugänglich sind.

Europa hat für das Handeln der Kommunen eine überragende Bedeutung. Es wird geschätzt, dass 70 bis 80 Prozent der in der Europäischen Union beschlossenen Regelungen einen direkten kommunalen Bezug haben. Das Kommunalwahlrecht, die Daseinsvorsorge, das Vergaberecht, aber auch das gesamte Verwaltungsrecht haben heute eine klare europarechtliche Prägung. Das ist für die Verwaltungen vor Ort in der Umsetzung nicht immer ganz einfach, ändert aber nichts daran, dass es das Streben nach umfassender Beachtung dieser Vorgaben gibt.

Es wäre auch ein guter Beitrag zum Zusammenspiel von Europa und Stadt, wenn Europa noch etwas mehr Wert auf Kommunalfreundlichkeit legen würde. Auch die bislang schwach ausgeprägte Mitwirkung der Kommunen über den Ausschuss der Regionen scheint ausbaufähig.

Nach meiner Einschätzung erbringen auch unsere Gerichte ihren Beitrag zur Rechtsstaatlichkeit. Das gilt für die Gerichte in Europa, nämlich den Europäischen Gerichtshof und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, wie für jedes Amtsgericht vor Ort; für Rödermark also das Amtsgericht in Langen. Die hessischen Amtsgerichte erledigen jedes Jahr ungefähr 80.000 Zivilverfahren, 45.000 Familiensachen und 40.000 Strafverfahren; die durchschnittliche Verfahrensdauer liegt bei den Zivil- und Strafverfahren bei gut 5 Monaten.

Ich kann nicht für jedes einzelne dieser Verfahren eine Garantie abgeben, bin aber davon überzeugt, dass sich die Qualität und die Geschwindigkeit unserer Gerichte in der Gesamtbetrachtung sehen lassen können. Das gilt insbesondere auch im internationalen Vergleich.

Für einen Abgesang auf den Rechtsstaat oder einen Alarmismus besteht kein Anlass. Viele, die heute eine Erosion des Rechtsstaats beklagen, verbinden dies mit eigenen politischen Forderungen, die sie über eine Rechtsstaatsdebatte transportieren und verstärken wollen, zum Beispiel in der Migrationspolitik.

Politische Debatten gehören zur Demokratie, aber sie sollten nicht vorschnell zu fundamentalen Fragen oder gar Krisen des Rechtsstaats hochstilisiert werden. Geschürte Verunsicherung ist Gift für das Vertrauen, das Europa und der Rechtsstaat brauchen und verdienen.

Unsere Rechtsprechung hängt übrigens untrennbar mit Europa zusammen. Das gilt gerade auch für die Strafverfolgung, die nicht an der Grenze des Nationalstaats Halt machen darf, sondern europaweit angelegt sein muss, damit sie wirksam ist. Allein beim Oberlandesgericht Frankfurt wurden im vergangenen Jahr 2018 rund 420 Auslieferungsverfahren betrieben. Hiervon betrafen etwas 85 Prozent Auslieferungsersuchen aus Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Grundlage ist dabei der Europäische Haftbefehl, der europaweit gilt. Diese einfache und unkomplizierte Art der Auslieferung basiert auf dem Grundsatz gegenseitigen Vertrauens. Wir vertrauen darauf, dass die Rechte der gesuchten Person auch in jedem anderen Mitgliedsstaat beachtet werden.

An dieser Stelle komme ich zu einem Punkt, der uns gegenwärtig beunruhigt und der dieses Vertrauen ins Wanken bringt. Die Entwicklung der Rechtsstaatlichkeit in einzelnen Mitgliedsstaaten gibt Anlass zur Sorge. Das gilt besonders für Polen.

Das Land hat sich in den vergangenen mehr als 25 Jahren große Verdienste beim Aufbau einer unabhängigen Justiz erworben. Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit drohen diese Erfolge aber zunichte zu machen. Das gilt vor allem für die personelle Einflussnahme auf das Verfassungsgericht und andere Gerichte sowie neue geschaffene Möglichkeiten, unliebsame Richter zu entlassen oder in den Ruhestand zu schicken.

Es ist notwendig, dass diese Fehlentwicklungen wieder umgekehrt werden, damit das Wertefundament in der Europäischen Union intakt bleibt und die unkomplizierte rechtliche Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten fortgesetzt werden kann. Europa muss hier klare Zeichen setzen, damit der Abbau von rechtsstaatlichen Garantien nicht weiter Schule macht. Auch Entwicklungen in Ungarn und in Rumänien gehen leider in die falsche Richtung.

Aber lassen Sie mich nicht mit diesen Sorgen, sondern mit einem zuversichtlichen Ausblick schließen:

Ich hoffe sehr, dass es uns gemeinsam gelingt, Europa wieder positiv zu besetzen. Von Rödermark und seinen Partnerstädten kann hierzu ein starkes Signal ausgehen.

Dabei sind alle Ebenen gefragt: die Stadt, das Land und Europa selbst. Diese Ebenen ergänzen sich; sie sind aufeinander angewiesen und für uns jeweils wichtige Punkte der Identifikation. Ich selbst fühle mich jedenfalls als Limburger, als Hesse, als Deutscher und als Europäer. Und das alles bin ich sehr gerne.

Lassen Sie uns gemeinsam für ein Europa ohne Grenzen in Frieden, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit eintreten!

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