„Eliten - Säulen oder Bedrohung der Demokratie?“

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25. Hochschultag von Nell-Breuning-Schule und Stadt am 6. Mai in der Kulturhalle – Referent ist der renommierte Soziologe Prof. Dr. Michael Hartmann

„Eliten – Säulen oder Bedrohung der Demokratie?“: Einem ebenso brisanten wie hochaktuellen Thema wird sich der renommierte Soziologe und Elitenforscher Prof. Dr. Michael Hartmann von der Technischen Universität Darmstadt in seinem Vortrag zum 25. Rödermärker Hochschultag widmen. Die Jubiläumsausgabe der Veranstaltungsreihe von Nell-Breuning-Schule und Stadt mit Unterstützung der Sparkasse Dieburg findet am 6. Mai ab 18.30 Uhr in der Kulturhalle statt.

Prof. Hartmann hat Soziologie, Politikwissenschaft, Philosophie, Geschichte, Germanistik und Psychologie in Marburg und Hannover studiert, 1979 wurde er promoviert und 1983 im Fach Soziologie in Osnabrück habilitiert. Von 1999 bis 2014 war er Professor für Soziologie, insbesondere Elite- und Organisationssoziologie an der Technischen Universität Darmstadt. Darüber hinaus widmete und widmet sich Prof. Hartmann der Erforschung der Globalisierung, nationalen und internationalen Wirtschaftskulturen oder dem Management. Zu seinen aktuellen Veröffentlichungen gehören die hochgelobten Monographien „Die Abgehobenen: Wie die Eliten die Demokratie gefährden“ und „Die globale Wirtschaftselite: Eine Legende“, mit denen er auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Prof. Hartmann ist der renommierteste Elitenforscher Deutschlands und einer der führenden Soziologen Europas. Seine Forschungsarbeiten finden nicht nur in der wissenschaftlichen Gemeinde eine große Resonanz, sondern auch in bedeutenden Medien wie „Die Zeit“ oder im „Deutschlandfunk“, wo er auch gerne und vielbeachtet Stellung nimmt zu sozialpolitischen Themen.

Am Hochschultag wird Prof. Hartmann zu einem Thema referieren, das für unsere politische und gesellschaftliche Kultur von erheblicher Brisanz ist. Denn einerseits wird der Begriff der Elite seit einigen Jahren von populistischen Parteien und rechten Politikern in einer stark polemisierenden und ideologisch negativ aufgeladenen Weise verwendet. Andererseits bezeichnet er in der wissenschaftlichen Diskussion ein reales und klar umrissenes Problem. Während die Rechtspopulisten pauschalisierend alle diejenigen als Elite titulieren, mit denen sie glauben (vorwiegend bei den Verlierern einer neoliberalen Globalisierung) Ressentiments schüren zu können – „Intellektuelle“, „die politische Klasse“, „Journalisten“, „die da oben“ –, verfügt die soziologische Forschung über eine empirisch gestützte Definition.

Le Pen, Trump oder deutsche Populisten verbreiten Verschwörungstheorien und werfen Nebelkerzen, die Elitenforschung belegt nachvollziehbar, legt ihre Methoden offen und nennt die Namen. Zur Elite gehören danach die Personen, die kraft ihrer gesellschaftlichen Position längerfristig Einfluss nehmen oder Macht ausüben, ohne dass diese Machtausübung notwendigerweise demokratisch legitimiert wäre. Reichtum kann, muss aber kein Kriterium sein. Der engere Kreis dieser Elite beschränkt sich auf etwa 1000 Personen in der Politik, dem Wissenschaftsmanagement, der Wirtschaft oder Justiz.

Prof. Hartmann kann überzeugend darstellen, dass aufgrund der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte die Kluft zwischen diesen Eliten und dem Rest der Bevölkerung so stark gewachsen ist, dass sich daraus eine eminente Gefährdung der Demokratie entwickelt hat. Durch geschickte Steuermodelle und Steuerflucht, durch Erbschaften und eine bevorteilende Steuerpolitik sind Einkommen und Vermögen der Eliten überproportional angewachsen. Eliten bauen und wohnen dort, wo man unter sich bleibt, in exklusiven Stadtvierteln, Vorstädten und Einzugsgebieten (wie Potsdam, Königsstein), man favorisiert bestimmte Gymnasien, Privatschulen oder Hochschulen; bestimmte exklusive Verhaltensformen werden kultiviert, Netzwerke und Rekrutierungsmethoden entwickelt, mit denen die Kontinuität und Homogenität der Elite gesichert wird. So findet bis in die Chefetagen der wichtigsten Medienhäuser eine soziale Selektion statt, die beispielsweise in der eher eindimensionalen Meinungsbildung oder „Blase“ des sogenannten Hauptstadtjournalismus ihren Niederschlag findet.

Weil das Elitenbewusstsein zumeist Teil eines selbstverständlichen Sozialisationsprozesses ist, geschieht deren Handeln oft in dem Glauben, das Richtige und Gute zu tun. Das soziale und politische Problem, das daraus resultiert, ist aber die zunehmende Entfernung der Eliten von der Lebenswirklichkeit der Normalbevölkerung ebenso wie ein schwindendes Unrechtsbewusstsein. Eliten stehen eben auch Problemlösungsmöglichkeiten zur Verfügung, die dem Durchschnittsbürger verwehrt bleiben. Steuerhinterziehung wird zu einem Kavaliersdelikt; durch Sponsoring, Mäzenatentum und Spenden werden politische Amtsträger unter Druck gesetzt oder man erkauft sich kulturelle und soziale Privilegien wie Vorteile bei der Ausbildung.

Die Ironie des Ganzen ist, dass die selbsternannten Feinde des Establishments und der Eliten wie Trump oder Erdogan sich eine sozio-ökonomische Entwicklung ideologisch zunutze machen, die sie selbst vorangetrieben haben, vorantreiben und von der sie nunmehr profitieren.

Die Veranstaltung mit Prof. Hartmann knüpft inhaltlich an eine Reihe sozialwissenschaftlicher Hochschultage an, die sich – in der Tradition der Oswald-von-Nell-Breuning-Schule – aufklärerisch und kritisch mit gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen auseinandersetzen. Bisherige Themen waren unter anderem die Folgewirkungen der sogenannten „Agenda 2010“ (mit Prof. Hengsbach) oder die Wirkungsgeschichte des Neoliberalismus (mit Prof. Brodbeck). Schule und Stadt freuen sich deshalb ganz außerordentlich, einmal mehr einen hochangesehenen und engagierten Sozialwissenschaftler in der Kulturhalle begrüßen zu dürfen.

 

Prof. Dr. Philipp Wolf

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